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Graveminder

Graveminder

Titel: Graveminder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Marr
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Schlechte – genauso, wie ich an Ella denke. Sie war nicht der Engel, den du rückblickend gern in ihr siehst.«
    Rebekkah blieb stehen. »Das weiß ich. Ich dachte nur, du … Ich habe mir vorgestellt, dass du noch auf bestimmte Art an sie denkst. Wir sind schon zwei, was?«
    »Ich weiß noch, wie ihr beiden euch ständig gezankt habt und dass sie jedes Mal, wenn ich sie in meinem Zimmer allein ließ, meine Zigaretten – und mein Gras – genommen hat. Diese Prügelei nach dem zweiten Highschooljahr? Das war keine Notwehr. Ich war dabei. Sie hat zuerst zugeschlagen.« Byron lachte. »Niemand war reizbarer als sie. Niemand trank, rauchte und fluchte hemmungsloser als Ella Mae Barrow. Ich habe sie geliebt, aber ich habe sie auch so gesehen, wie sie war. Sie konnte keiner Mutprobe widerstehen, aber sie war auch in der Lage, eine Party auszulassen, um mit meiner Mutter Blumen zu pflanzen. Sie hat so viel geflucht, dass ich damals wahrscheinlich noch rot geworden bin, und sie hat vor sich hin gesungen. Aber in der Kirche hat sie nur den Mund bewegt, weil sie sich ihrer Stimme nicht sicher war. Es ist sinnlos, einen Schrein zu errichten – und erst recht nicht für eine Illusion.«
    »Sie war so lebendig.« Rebekkah sah weg, und ihr Blick verweilte auf Ellas und Jimmys Grabsteinen. »Ich begreife nicht, warum jemand, der so lebendig war, sich für den Tod entscheiden konnte.«
    »Ich weiß es auch nicht, aber ich weiß, dass sie – und Maylene und dein Dad – sich wünschen würden, dass du dich so an sie erinnerst, wie sie wirklich waren.« Byron bedeutete ihr, zu dem einzigen schwarzen Wagen vorzugehen, der noch vor dem Friedhof stand. »Jemanden zu lieben, das bedeutet, das Gute und das Schlechte zuzulassen.«
    Er öffnete die hintere Tür, und sie glitt in den Wagen, bevor er in ihren Augen die Panik erkannte, die sie immer ergriff, wenn er mit diesem Thema anfing.

16. Kapitel
    Daisha betrat das Haus. Sie überschritt die Türschwelle mit der Zuversicht eines Menschen, der sich in Sicherheit weiß. Ein ungewohntes Gefühl. Nachdem sie jahrelang bei jedem Geräusch zusammengezuckt war, fühlte sich die Sicherheit ihres neuen Lebens berauschend an.
    Sie befand sich in einer Garderobe, einem Vorzimmer für die Trauergäste, die sich auf die Aufbahrung vorbereiteten. Sogar hier draußen sorgten der beigefarbene Teppichboden und strategisch angeordnete grüne Blattpflanzen für eine beruhigende Atmosphäre.
    Hinter der Tür stand der Mann, den sie suchte. Mister Montgomery wusste, dass sie anders war als andere. Das erkannte sie daran, wie vorsichtig er sie beobachtete. Niemand sonst in der Stadt – außer Maylene – hatte sie mit diesem Blick gemustert.
    »Du dürftest nicht hier sein«, erklärte er.
    Ihr Körper hatte gewusst, dass sie herkommen musste, genau wie er gewusst hatte, dass sie Maylene finden musste. Sie war seit Tagen zu Fuß unterwegs, ohne zu wissen, wohin oder warum, nur dass sie nach einem Ort suchte, an dem sich alles zum Besseren wenden konnte. Ihr Körper gehörte hierher, nach Claysville.
    »Aber ich bin hier«, sagte Daisha zu Mister Montgomery. Sie trat in den Aufbahrungsraum, wo er sie erwartete. Einmal hatte sie in demselben Raum gesessen und um einen Onkel getrauert, der nach zu vielen Drinks und wer weiß was noch bei einem Autounfall gestorben war. Der Geruch war genau wie damals, ein alles durchdringender Duft nach Blumen und etwas noch Süßerem. Früher hatte sie gedacht, das sei der Duft des Todes, ein beinahe ekelhaft süßer Geruch. Dann war sie gestorben. Jetzt wusste sie, dass der Tod manchmal nach Kupfer und Laub roch.
    »Ich kann dir helfen.« Seine Stimme klang beruhigend, zuversichtlich.
    »Wie?«
    »Ich bringe dich dorthin, wo du hingehörst«, sagte William. Ohne das kaum wahrnehmbare Zittern seiner Hände hätte Daisha geglaubt, dass sie ihre Wirkung auf ihn verfehlte.
    Daisha schüttelte den Kopf. »Das hat die andere schon versucht …«
    »Du hast Maylene getötet.«
    »Sie hat angeboten, mir zu essen zu geben«, flüsterte Daisha.
    »Und du hast sie ermordet «, entgegnete William, lauter jetzt.
    Sie runzelte die Stirn. So sollte das nicht laufen. Er durfte nicht so böse sein. Maylene war nicht böse gewesen.
    »Was hätte ich sonst tun können?« Das war kein Einwand, sondern eine Frage. William begriff allerdings nicht, was sie meinte. Maylene hätte sie verstanden. Hatte sie verstanden, bevor sie starb.
    Maylene bot Daisha ein Glas mit Whisky und

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