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Grayday

Grayday

Titel: Grayday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hari Kunzru
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Hand unter sein Hemd und driftete ab in eine Welt der Berührungen. Sein Rücken fühlte sich glatt an, warm. Sie streichelte seinen Hals. Störend war, dass er immer noch redete. Das Wichtigste jetzt war, nackt zu sein.
    »Arjun?«
    »Ja?«
    »Du wirkst gestresst. Hättest du gern eine Massage?«
    »Ähm – bist du deswegen hergekommen? Um mir eine Massage zu geben?«
    »Vielleicht.«
    »Also, ich muss sagen, das ist sehr – ich habe wirklich nicht erwartet – aber es ist, denke ich, okay. Ich war mehr oder weniger fertig mit …«
    »Arjun?«
    »Ja?«
    »Halt die Klappe. Ich meine, hör auf zu reden. Du musst nicht reden. Leg dich hin und zieh dein Hemd aus.«
    Er brachte noch ein paar wirre Proteste vor, aber nachdem er das Bett von Ausdrucken und Dosen leer geräumt hatte, hatte sie ihn mehr oder weniger dort, wo sie ihn haben wollte, er auf seinem Bauch liegend und sie rittlings auf seiner Hüfte. Sie begann, seinen schmalen Rücken zu kneten. Nach ein, zwei Minuten zog sie ihr Top aus und hakte den Büstenhalter auf. Er hatte die Augen geschlossen und schien es nicht zu bemerken. Als sie eine Hand unter den Bund seiner Shorts schob, bemerkte er es; seine Hinterbacken pressten sich zusammen, und sein Rücken wurde steif. Strampelnd drehte er sich unter ihr auf seinen Rücken, nur um die künstlerisch äußerst gelungene Darstellung von San Franciscos Needle Bob vor sich zu erblicken, die sich über ihren nackten Oberkörper schlängelte.
    »Was machst…«, begann er. Sie nahm seine Hände und legte sie auf ihre Brüste. »Oh«, sagte er. »Oh.«

E inige Stunden später enthüllte das graue Morgenlicht eine Szene der Verwüstung. Da Chris’ Kontaktlinsen mit ihren Augen verklebt waren, erschien ihr die Welt gnädigerweise in Nebel getaucht, doch selbst mit reduziertem Gesichtssinn wusste sie, dass die Welt heute hässlich war. Jemand hatte in ihrem Mund einen blutrünstigen Film gedreht. Ein anderer hatte ihr das Rückenmark punktiert. Sie hatte nicht geschlafen, jedenfalls nicht tief. Zu bestimmten Zeiten, seit Arjun zu reden aufgehört und regelmäßig und geräuschvoll durch den Mund zu atmen begonnen hatte, war sie sich ihrer Umgebung weniger bewusst gewesen als zu anderen. Zählte das? Vorsichtig hob sie seinen Arm hoch und schlüpfte aus dem Bett. Beim ersten Schritt stieß sie sich die Zehe an etwas Scharfem und musste sich mit einer Hand den Mund zuhalten, um nicht aufzuschreien. Die Botschaft war klar. Es war unumgänglich, dass sie verschwand. Dies hier war ein übler Ort voller scharfer und spitzer Gegenstände. Ein nach Brathuhn stinkender Ort des Schreckens.
    Sie spülte ihren Mund mit Wasser aus und machte sich auf die Suche nach ihren Kleidern. Arjun lag auf der Seite, einen mageren Arm so ausgestreckt, wie sie ihn gelassen hatte. Sein gegen das Kopfkissen gequetschtes Gesicht wirkte kindlich und Undefiniert. Sie konnte darin oder in dem Stück Schulter und Oberkörper, das durch die umgeschlagene Bettdecke freigelegt war, nichts entdecken, was sie daran erinnerte, warum es für sie so wichtig gewesen war, um zwei Uhr nachts vorbeizukommen und mit diesem Mann zu schlafen. Körperlich fühlte sie sich zerschlagen, aber innerlich sah es noch schlimmer aus, die gewohnte Landschaft ihrer Gedanken und Gefühle war in leer gefegte Düsternis verwandelt, eine Öde, in der die Überreste derjenigen herumlagen, wer immer sie auch gewesen war, ehe sie high wurde. Es war der klassische Augenblick, in dem man sich schwört, nie wieder Ecstasy oder Koks oder Alkohol anzurühren. Es war das Gefühl, das bei Kids etwas bewirken würde. Tu’s nicht, okay? Fühl dich bloß nicht so wie ich.
    Sie hob ihre Tasche auf und tastete unter den namenlosen Gräueln rund um das Bett nach ihrem zweiten Schuh. Als sie den endlich gefunden hatte, schlich sie auf Zehenspitzen nach draußen und schloss die Tür. Das brutale Tageslicht erinnerte sie daran, dass sie ihre Sonnenbrille nicht mit hatte. Oder ihr Auto. Sie wankte die Auffahrt hinunter und lehnte, ehe sie sich mit dem Summer hinausließ, einen Moment lang ihre Wange gegen das kühle Metall der Sicherheitstür. Dann schlurfte sie zögernd wie ein B-Movie-Zombie in eine Richtung, von der sie hoffte, sie würde sie zu einer Tasse Kaffee führen.
    Vier Stunden später schlug Arjun die Augen auf und blickte in einen warmen Sonntagnachmittag. Er fühlte sich frisch und ausgeruht, durchdrungen von dem Gefühl, dass alles richtig war. Normalerweise schlief er in einem

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