Grayday
kurta- Pyjama, aber an diesem Morgen war er nackt. Für den Moment außerstande, sich zu erinnern, warum, drehte er sich auf die Seite und erblickte die kleine zerknitterte Nachtschnecke eines benutzten Kondoms zwischen den Socken und Stannioltellern auf dem Fußboden. Von diesem Punkt breitete sich seine Erinnerung wie im Fluge aus und brachte ein Gefühl aufrichtiger Verwunderung darüber mit, was sich nur wenige Stunden zuvor in dieser Wohnung (in genau diesem Bett!) ereignet hatte.
Die Details waren zu eindringlich, um sich ihnen ohne Verlegenheit zu stellen. Allein schon die Körperlichkeit des Ganzen. Die Nässe. Der Geruch von Haut. Er erinnerte sich, die Kontrolle über sich verloren zu haben, was ihm allein schon unanständig erschien. Die Erinnerung war verworren wie ein Traum.
Und dennoch. Sie hatte einiges für ihn getan. Ohne Hilfe hätte er es wahrscheinlich nie geschafft. Und nun hatte Chris es ihm gezeigt, hatte das unkalkulierbare Problem gelöst, einen anderen Menschen zu finden, den man berührte und von dem man ebenfalls berührt wurde. Er empfand Demut, Dankbarkeit.
Aber auch schlechtes Gewissen. Er stand auf, schaltete den Computer ein und frühstückte noch immer nackt, während er dem Strom des indischsprachigen Sprechfunks lauschte. Also, wer war Chris? Sie war seine Geliebte. Er war ein Mann mit einer Geliebten, oder um die Kurzversion zu benutzen: ein Mann. Das erschien ihm erfreulich, wenn auch nicht sauber. Während er an einer Kirsch-Poptart kaute, wandte sich seine Erinnerung papaji zu.
Ungefähr eine Woche, bevor Arjuns Großvater gestorben war, hatte er, bereits bettlägerig, zu verstehen gegeben, dass er seinem Enkel eine bestimmte Mitteilung zu machen wünsche. Arjun, der damals erst acht Jahre alt gewesen war, durfte gewöhnlich papajis Zimmer nicht betreten, und seine Mutter machte ein großes Gewese daraus, dass sie ihn vor den Alten bringen sollte. Arjun war schüchtern. Er hatte papaji gern gehabt, aber jetzt machte ihm die stinkende Gestalt in dem Bett Angst. Der Junge wand sich vor Ekel, wurde jedoch so nahe ans Bett geführt, dass der Gebrechliche zum Sprechen nur den Kopf herumdrehen musste. Unter den Decken ragte ein dürrer Arm hervor. Eine zitternde Hand führ ihm flatternd über Wangen und Stirn. »Beta«, ertönte ein Flüstern. »Gott segne dich. Du bist ein braver Junge. Ich möchte, dass du dir zwei Punkte merkst. Bewahre dir stets deinen Samen. Er ist deine Kraft. Und …« Arjun bekam den zweiten Punkt nie zu hören, weil ihn seine Mutter empört aus dem Zimmer zerrte. »Er phantasiert«, zischte sie. »Geh spielen.« Als er sich heimlich wieder hineinschlich, schlief papaji.
Nachdem ihm die Hälfte seines Erbes an Ahnenweisheit verweigert worden war, hatte Arjun immer besonderes Gewicht auf die Hälfte gelegt, die er besaß. Er hatte sich selten am Wettkampfsport beteiligt, aber er wusste, wenn er es täte, würde er am Abend vor einer entscheidenden Begegnung zweifellos Enthaltung üben. Aamirs schmutzige Fotos hatte er fast immer gemieden und angenommen, dass, wenn die Zeit reif sei, er sich seine Sexualpartnerin (nie stellte er sie sich im Plural vor) sorgfältig wählen würde. Keuschheit war ihm immer als das erschienen, was sich ziemt: sich aus dem lasterhaften Zyklus von Samenanhäufung und Samenverschwendung herauszuhalten, war Kennzeichen eines reifen Mannes. Doch nun war er bei der ersten besten Gelegenheit kopfüber in die Unkeuschheit gestürzt. Was machte das aus ihm?
Und was machte es aus ihr? Er wusste, was seine Mutter sagen würde.
Dem standen andere Argumente gegenüber: die blauen Schlangen, die sich um Chris’ Arme ringelten, das Schaukeln ihrer Brüste, als sie über seinem Schambein herumgeritten war.
Aamir würde darauf eifersüchtig sein, und so kam ihm der Gedanke, dass es lustig wäre, ihm eine E-Mail zu schicken. Er machte sich daran, dann hielt er inne. Für den Augenblick wollte er seine Neuigkeiten für sich behalten. An diesem Morgen konnte er sich auf seine Projekte nicht konzentrieren und verbrachte die meiste Zeit damit, auf dem Bett zu liegen und das Gefühl von »danach« wie Draht in die Länge zu ziehen. Es war ein klarer Tag, und das Sonnenlicht drang durch das Laub des Baumes vor seinem Fenster, wärmte ihm die Haut und hielt das Gefühl, berührt worden zu sein, am Leben. Ein- oder zweimal wählte er Chris’ Nummer, aber sofort schaltete sich der Anrufbeantworter ein.
Chris verbrachte den Nachmittag mit Nic auf
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