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Graz - Novelle

Graz - Novelle

Titel: Graz - Novelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luftschacht-Verlag <Wien>
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verlassen da.
    Ich sagte zu dem Polizisten, dass ich soeben einen Hund die Straßenbahn habe nehmen sehen.
    Der Polizist verzog keine Miene. Er sagte: „Ich glaube Ihnen. Das ist wahrscheinlich derselbe Hund, der manchmal den Verkehr an der Kreuzung zwischen Annenstraße und Eggenberger Gürtel regelt. Wenn der Hund dort steht, passieren immer Unfälle, es ist schrecklich.“ Der Polizist spannte seine Lippen, als ob er damit zeigen wollte, dass er keinen Humor hatte, sich jedoch bemühte, und beugte sich über seine Notizen. Er war Linkshänder und machte Flecken. Er überflog kurz, was er aufgeschrieben hatte, und nickte einmal. „Aber gehört haben sie nichts?“
    „Nein“, sagte ich. „Ich bin nicht jemand, der sich verschiedenen Dingen zugleich zuwenden kann. Wenn ich meine Buchhaltung erledige, höre ich sozusagen nur die Rechenmaschine. Wenn ich meine Jacke anziehe, dann suche ich die Löcher für meine Arme. Wenn ich die Treppe hinuntergehe, passe ich auf die Stufen auf.“
    „Ich glaube Ihnen“, sagte der Polizist noch einmal, und eben schien es, als ob er wieder auf seine eigene Art grinsen würde, doch er spitzte seine Lippen und kniff ein Auge zusammen. „Sie haben nichts gesehen.“
    „Nein“, wiederholte ich.
    Meine Gedanken erklommen den Schlossberg. Auf einer kleinen Mauer gleich beim Uhrturm steht eine Hundestatue mit der Schnauze nach Süden. Das Tier hatte vor Jahren eine Frau gerettet. Ich weiß nicht, wann das war, und ob die Frau wichtig ist. Ich weiß auch nicht, wer die Statue auf dieser Gartenmauer platziert hat. Ich wollte dem Polizisten von dem steinernen Hund erzählen, doch ich schwieg, denn es tat nichts zur Sache. Der steinerne Hund hat mit seinem Bellen eine Frau gerettet, das blieb mir von der Geschichte in Erinnerung. Der Hund, den ich gerade gesehen hatte, hat nicht gebellt. Nachdem mir der Polizist meine Zeugenaussage vorgelesen hatte, durfte ich gehen. An der Reihe waren die Hertz Mädchen. Sie arbeiteten bei Hürlimann, vielleicht hatten sie etwas gesehen.
    Ich ging noch eine Runde, wie ich es mir vorgenommen hatte. Ich hatte die Hände auf dem Rücken, weil sich Gehen dann wie Schlendern anfühlt. Dennoch gelang es mir nicht, das Tempo zu finden, das ich gewöhnlich einhielt, meine eigene Gangart, die langsamer ist als Spazieren und genau die richtige Geschwindigkeit, um viel sehen zu können, aber wenig in mir aufzunehmen, sodass mein Herz schon schlafen gehen konnte, bevor ich im Bett lag.
    Ich erwischte mich selbst dabei, dass ich meinen Oberkörper nach hinten, gegen den Wind lehnte, und dass meine Füße dadurch zu hasten anfingen. Jedesmal musste ich mich wieder einbremsen. Ich suchte das Lied, das ich öfter sang, das Lied, das zum Takt meiner trägen Abendspaziergänge passte, doch ich brummte nur falsch.
    In der Glacisstraße blieb ich an der Häuserseite. Ich war auf der Hut vor der Dunkelheit unter den Bäumen auf der anderen Seite. Einmal wurde ich dort von einem Mann angepöbelt, der angab, bei den Kunstfelsen im Burghof zu wohnen und mich um Geld bat. Ich hatte in meinen Taschen nach den kleinen Münzen zwischen den großen gefischt und dann gelogen: „Hier. Nehmen Sie alles, was ich habe.“ Doch Angst kann man riechen und lügen hatte ich nie gelernt, und das hatte der Mann, der sagte, dass er hinter den Felsen wohnte, natürlich sofort kapiert. Er neigte sich zu mir und sagte mit seinem Gesicht ganz nahe bei meinem, dass er es schade fand, dass das alles war, was ich besaß, dann war ich nicht reich, kam ich öfter hierher, hatte ich keine Familie, wo wohnte ich denn, und er hob die Hand mit den Münzen zwischen unsere Gesichter und ging mit dem Daumen das Geld durch. „Arme suchende Seele“, sagte er – oder etwas Ähnliches. Seine Bemerkung ließ mich elendig zusammenschrumpfen, denn natürlich bin ich reicher als diese paar Münzen, ich habe eine Apotheke, die es schon fast ein Jahrhundert gibt, die Apotheke Eichler, besser bekannt als Zum guten Hirten, an der Ecke der Maiffredygasse und der Leonhardstraße.
    Ich wurde langsamer und schaute über meine Schulter, obwohl ich überzeugt war, dass ich gegenüber niemanden gehen sehen und sich bewegen sehen würde, denn in dem Teil des Parks, der an den Opernring grenzt, ist es bis spätabends sicher. Jetzt, da ich hingesehen hatte, ging die Fantasie mit mir durch. Ein einfacher Ast war ein Mann, ein Schatten war ein Mann, die Spiegelung der Straßenlaterne in der Motorhaube eines geparkten Autos war

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