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Graz - Novelle

Graz - Novelle

Titel: Graz - Novelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luftschacht-Verlag <Wien>
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Maiffredygasse, das am wenigsten klemmte, aufzubekommen, doch das gelang erst nach wiederholten Versuchen. Ich lehnte mich gefährlich weit hinaus, als ob ich damit Zeit einholen könnte. Ich dachte, dass ich den Hund doch noch sehen müsste. Ich spähte die Straße entlang, bereits wissend, dass mein Viertel nach zwölf leer und nächtlich war. Gegenüber waren alle Vorhänge zugezogen, alle Rollläden unten. Die Straße war dunkel, so weit ich in die Maiffredygasse sehen konnte, bis gleich gegenüber, bei Hürlimanns. Doch nicht jeder schlief.
    Meine Aufmerksamkeit wurde durch ein Licht, das von links kam, abgelenkt. Die Vorhänge hinter einem quadratischen Fenster im ersten Stock des Parkhotels waren nicht zugezogen. Alle Lichter im Zimmer brannten, auch der elegante Luster.
    In diesem glitzernden Licht erblickte ich den Torso eines Mannes. Er beritt eine Frau. Sie lag auf dem Schreibtisch, ihre Schenkel über dem Rand. Ich glaubte zu erkennen, dass sie den Fuß der Schreibtischlampe mit einer Hand festhielt.
    Ich sah ein paar Sekunden lang zu. Ich fühlte, wie mein Gesicht einfror. Vor Kälte, denn ich hatte fast nichts an, aber auch vor Verwunderung über die Frau. Wie sie es mit sich machen ließ. Die Kälte wuchs über meinen ganzen Körper, der Nacken und der Rücken erglühten.
    Die Frau, die beritten wurde, streckte die Beine in die Höhe, und sie hob ihr Haar und den Kopf hoch, und dann legte sie ihre Arme nach hinten. Sie ergab sich, es gab kein Entkommen.
    Die kalte Luft drückte mich nach innen.
    Zuerst zog ich das schwere Außenfenster zu, dann das leichtere Innenfenster. Ich tat es sachte, ich wollte das Knarzen vermeiden, ich fand es gut so, wie die Dinge waren. Mit der freien Hand schob ich das Papier auf meinem Schreibtisch zur Seite. Ich achtete nicht darauf, was meine Hand tat. Ich setzte mich auf die Rechenmaschine und das Lineal. Dziedziedziedzie machte die Rechenmaschine. Ich ließ mich auf meinen Rücken sinken, meine Schenkel hingen über den Rand. Ich bemerkte, dass meine Augen zu tränen anfingen, da ich sie offenhielt, aus Angst, dass ich blinzeln musste, aus Angst, dass die Vorhänge gegenüber auf einmal innerhalb einer Sekunde zugezogen werden würden, und dass ich dann allein zurückbleiben musste.
    Dann passierten drei Dinge fast gleichzeitig.
    Die Frau, die beritten wurde, blickte zur Seite in die Richtung meines Fensters. Ich war überzeugt, dass sie mich nicht sah, aber trotzdem dachte ich, dass sie mich ansah. Sie fuhr sich mit den Händen durch das Haar, streckte den linken Arm nach mir aus, sie lud mich ein, sie zu retten.
    Ich schaute zurück. Ich hoffte, dass sie meinen Blick richtig verstand. Ich meinte, dass ich schon die Straße überquerte. Ich meinte, dass ich schon in ihrem Zimmer war. Sie sahen beide zu mir in der offenen Türe, sie streckten ihre Arme nach mir aus, und hoch, sie ergaben sich.
    Einen Moment später erfolgte der größte Stromausfall, den Graz seit hundertunddrei Jahren erlebt hatte. Das letzte Mal war der Auslöser dafür ein Schneesturm in der Nähe von Murau. Ein Zug fiel aus und kurz darauf fast das gesamte steirische Elektrizitätsnetz.
    Jetzt war es der Wind. Er hatte die ganze Zeit nicht stark geblasen, aber er war anhaltend und hartnäckig.
    Von einem Moment zum anderen hüllten sich die Maiffredygasse und die Leonhardstraße in Dunkelheit. Das Parkhotel war eine schwarze Mauer mit etwas Glitzer da und dort. Das Mondlicht spiegelte in den Fenstern und glänzte im Reif auf dem Dachrand.
    Ich setzte mich auf und beugte mich nach vorne. Ich zog meinen Slip hoch. Das Gummiband schnalzte gegen meine Haut. Ich stützte die Hände auf die Fensterbank, drückte die Wange gegen das Fenster, um so viel wie möglich von der Straße sehen zu können.
    Die Dunkelheit stand vor mir. Als ob ich nur daran zu kratzen brauchte. Ein paar Mal am Fenster zupfen und ich würde mich an einem Ort wiederfinden, an dem ich nicht sein wollte.
    Die Stille, die da hing, war nicht mit der Art von Stille zu vergleichen, die wir kennen. Es war keine Unterwasserstille. Es war nicht die Stille, die eintritt, wenn wir die Ohren zuhalten. Es war, als ob die Stimme plötzlich ein paar Oktaven fiel, auch wenn ich nichts sagte. Diese Art von Stille war es.
    Ich hörte die Straßenbeleuchtung im Wind hin und her wiegen. Im ersten Stock gegenüber glaubte ich ein Viereck zu erkennen, das dunkler war als der Rest. Es gab viele dunkle Vierecke um das eine Viereck herum. Das Stück

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