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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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wahr sein, aber
nicht zu wahr. Sein Mund ist plötzlich sehr trocken. Die Standuhr tickt
und tickt. Er entscheidet sich für: »Ich finde Sie sehr schön.«
    Ihr Gesicht hellt sich auf, und sie lacht. Es ist ein
angenehmes Lachen. »Ich habe Sie verlegen gemacht«, sagt sie.
    »Ja.«
    »Ich frage Sie nur nach Ihrem Sexualleben, weil sich Sex
ausgezeichnet zum Stressabbau eignet. Und ich weiß, dass Sie unter
erheblichem Stress stehen.«
    »Ich schlafe nicht gern mit Debbie, wenn ich von einem Tatort
komme«, sagt Archie. »Ich kann die Bilder nicht aus dem Kopf verbannen.
Es kommt mir dann falsch vor.«
    »Die Bilder verfolgen Sie?«, fragt Gretchen.
    Archie legt eine Hand an die Stirn, als könnte er die Bilder
damit wegwischen. »Ja.«
    Er spürt das volle Gewicht ihrer Aufmerksamkeit. »Gibt es ein
Bild, das Sie mehr verfolgt als die andern?«, fragt sie.
    »Heather Gerber«, antwortet er. »Das erste Opfer, das wir
gefunden haben. Im Park. Sie war nicht die schlimmste, was die Folter
betrifft. Aber ihr Gesicht. Ihre Augen waren offen. Und sie hat mich
angesehen. Das klingt verrückt, nicht wahr?«
    »Lassen die Bilder Sie nachts nicht schlafen?«
    Sein Handy vibriert in der Tasche. Er zieht es heraus und
klappt es auf. Es ist eine SMS von Henry. Ein neuer Hinweis. »Scheiße«,
entfährt es ihm. Er sieht zu Gretchen auf, verlegen wegen seiner
Ausdrucksweise. »Entschuldigen Sie«, sagt er. »Es ist Henry. Ich muss
gehen.«
    Er steht auf, rückt die Waffe an der Hüfte zurecht. Sie steht
ebenfalls auf, geht zu ihm und legt ihm die Hand direkt über dem
Ellbogen auf den Arm.
    »Ich würde Sie gern wiedersehen«, sagt sie. »Ich glaube, ich
kann Ihnen helfen.«
    Sie riecht nach Flieder.
    Archie bewegt sich nicht. Er will dem Druck ihrer Berührung
standhalten. Er empfindet eine seltsame Verbundenheit mit diesem Ort,
mit ihr. Es ist lächerlich. Er kennt sie kaum. Sie ist schön, sie
bringt ihm Aufmerksamkeit entgegen, und er reagiert wie ein
Siebzehnjähriger.
    Er beschließt, nicht sofort einen neuen Termin zu vereinbaren.
Er wird ein paar Tage warten. Um nicht allzu begierig zu erscheinen.
    Das Ticken hört unvermittelt auf. Er sieht auf die Standuhr.
Sie ist stumm, die Zeiger stehen reglos auf drei Uhr dreißig.
    Er räuspert sich. »Ihre Uhr ist gerade stehen geblieben«, sagt
er.
    Sie lässt die Hand von seinem Arm sinken und sieht zu der Uhr.
»Das ist ja witzig«, sagt sie.
    Er macht einen Schritt in Richtung Tür, und sie dreht sich
nach ihm um, ihre Gestalt wird durch das Fensterlicht von hinten
beleuchtet, ein Bild reiner Schönheit. Nichts ist falsch daran, es zu
bemerken, sagt sich Archie. Es ist nur eine Beobachtung.
    »Wenn Sie Schlafstörungen haben«, sagt sie, »kann ich Ihnen
eine Probe von etwas geben, das vielleicht hilft.«
    Er lächelt. Vielleicht wird er doch nicht ein paar Tage
warten, um einen neuen Termin zu vereinbaren. Vielleicht wird er noch
im Laufe des Tages anrufen. Nur um ihre Stimme zu hören. »Danke«, sagt
er. »Aber ich nehme ungern Tabletten.«

_62_
    H enry ließ die Sirene eine Weile laufen,
aber es half nichts – es gab keine Möglichkeit, zu überholen.
Sie steckten im Verkehr fest. Der Highway schlängelte sich von den
Bergen herab, dreißig Meter hohe Douglasfichten säumten ihn links und
rechts wie eine Hecke. Manchmal sah man kaum den Himmel. Eine
Überholspur gab es nur gelegentlich für sehr kurze Abschnitte. Dann
schaltete Henry die Sirene wieder ein und raste an dreizehn Fahrzeugen
vorbei. Doch immer noch schoben sie sich im Tempo eines Gletschers zu
Tal. Der Vorteil war, dass Susan bei der langsamen Fahrt nicht mehr
schlecht wurde. Big Charlie hatte ihr Eis für ihr Gesicht gegeben, und
es ging ihr ziemlich gut.
    »Nehmen Sie die Füße vom Armaturenbrett«, sagte Henry.
    »'tschuldigung«, sagte Susan und schlug die nackten Füße
unter. Hoffentlich sah Henry die Zehenabdrücke nicht, die sie auf der
Windschutzscheibe hinterlassen hatte. »Ich verstehe noch immer nicht,
wieso ich nicht nach ihr suchen darf.«
    »Ich habe eine Fahndung für Highway 20, Highway 22 und das
östliche Oregon herausgegeben. Sie haben den Typ gehört. Kann sein,
dass sie es war, kann sein, dass sie es nicht war.«
    »Wie kann ein Polizeiauto keine Klimaanlage haben?«, fragte
Susan. Sie hatte eine Flasche Wasser an der Tankstelle gekauft und
seither die ganze Zeit langsam das Etikett abgepult. Jetzt zupfte sie
ein weiteres Stück ab und rollte es zwischen den Fingern.
    »Sie ist

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