Grazie
sie. Dort musste sie nicht so
genau zielen.
»Braves Mädchen«, sagte Gretchen. »Jetzt greif in die
Außenseite meiner Handtasche. Da findest du eine Spritze und einen
Venenstauer aus Gummi. Mach schon.«
Susan nahm die Spritze zur Hand. »Ich weiß nicht, wie man sie
benutzt.«
»Du wirst es lernen«, sagte Gretchen. »Und wenn du es
vermasselst, wird Archie sterben. Und dann werde ich Henry töten. Und
dich. Jetzt bind den Venenstauer um seinen Arm und such eine Vene.«
Susan rollte Archies Ärmel hoch, band die Gummimanschette um
seinen Bizeps und hob seinen Arm an. Die Haut war bläulich und kühl.
Aber sie sah eine Ader in der Ellbogenbeuge.
»Ich glaub, ich hab eine«, sagte sie.
Gretchens Stimme war absolut beherrscht. »Halt die Nadel mit
der Abschrägung nach oben. Schieb sie hinein. Du wirst einen kleinen
Widerstand spüren, bevor sie in die Ader eindringt.«
Susan legte die Spritze mit der abgeschrägten Seite nach oben
an und stieß sie in Archies Arm. Sie spürte, wie sie durch die Aderwand
drang. »Ich glaub, ich bin drin«, sagte sie.
»Gut«, sagte Gretchen. »Ist Blut in der Spritze?«
Susan sah nach. Da war kein Blut. »Nein«, sagte sie.
»Das ist in Ordnung«, sagte Gretchen, »Zieh den Kolben ein
wenig zurück.«
Susan zog ihn zurück. Ein winziger Spritzer Rot wurde in der
Spritze sichtbar. »Ich sehe Blut«, sagte sie.
»Gut«, erwiderte Gretchen. »Das heißt, du bist in einer Ader.
Jetzt vergewissere dich, dass die Abschrägung immer noch oben ist und
drück den Kolben hinein.«
Susan überprüfte die Abschrägung, dann drückte sie den Kolben
hinein. Sie hatte es geschafft. Sie hatte ihm das Medikament
verabreicht. Am liebsten hätte sie gelacht und geweint und wäre im Raum
herumgetanzt. Doch dann fiel ihr Blick auf Henrys ernstes Gesicht, auf
die Waffe, die er immer noch auf Gretchens Kopf gerichtet hielt. Susan
zog die Spritze aus Archies Arm. Sie hatte nichts, um die Blutung an
der Einstichstelle zu stoppen, deshalb beugte sie seinen Ellenbogen und
hielt ihn fest.
Archies Farbe besserte sich umgehend.
»Jetzt gib mir den Schlüssel für die Handschellen«, sagte
Gretchen.
Susan stand auf, holte den Schlüssel und kam zurück. Sie sagte
sich, dass sie tun musste, was Gretchen sagte. Gretchen hatte immer
noch die Waffe auf Henry gerichtet. Susan steckte den kleinen Schlüssel
ins Schloss und drehte ihn. Die Handschelle sprang auf, und Gretchen
war frei. Im selben Moment langte Susan in ihre Gesäßtasche und stach
das Messer mit einer schnelleren Bewegung, als sie sich selbst je
zugetraut hätte, in Gretchens Oberkörper, unterhalb des Brustkastens.
Es war leichter als sie gedacht hatte. Das Messer glitt mit einer Folge
von kleinen Rucken an den Knorpeln vorbei, prallte vom Knochen ab und
schnitt dann unterhalb der Rippen in ihren Körper wie in Hartkäse. Als
Susan ihre zitternde Hand zurückzog, steckte das Messer immer noch bis
zum Griff in Gretchens Seidenbluse, von einem roten Ring umgeben.
Sie war nicht einmal in die Nähe der Halsschlagader gekommen.
Aber es reichte. Gretchens Augen weiteten sich, und ihrem Mund
entfuhr ein leiser Seufzer. Henry schnellte vor und warf sich auf
Gretchen. Susan verlor die Waffe hinter seiner Gestalt aus dem Blick,
bis er sie aus Gretchens Hand gewunden und ein Stück zur Seite
geschleudert hatte.
Während Henry nach der Waffe hechtete, sah Susan, wie
Gretchens Hand an ihrer Seite hinabglitt, und ihre Finger sich um das
Messer schlossen, das Susan in sie gestoßen hatte.
»Das Messer«, konnte Susan gerade noch hervorstoßen, als
Gretchen es mit einem Ruck herauszog. Die Klinge war voller Blut.
Gretchen krallte eine Hand in Archies Haar, hob seinen Kopf an und
hielt das Messer an seinen Hals.
»Ich mag Messer sowieso lieber«, sagte sie.
Rauch wehte durchs Haus, gerade so viel, dass der Blick leicht
unscharf wurde. Susan wusste nicht, ob Henry oder Gretchen es überhaupt
bemerkt hatten.
Der Wind hatte gedreht.
Gretchen hatte einen Arm um Archies Brust geschlungen und
hielt ihm mit dem anderen das Messer an den Hals; sie schleppte sich
auf Ellbogen und Hinterbacken auf die offene Verandatür zu und
schleifte Archie dabei hinter sich her wie ein Raubtier eine erlegte
Beute.
»Nein«, sagte Henry. Er lag seitlich auf dem Teppich, hatte
beide Arme ausgestreckt und richtete die Waffe auf Gretchen.
»Haben Sie schon mal ein Huhn getötet, Henry?«, fragte
Gretchen zuckersüß und drückte das Messer in Archies Fleisch.
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