Grazie
»Manche
Leute benutzen einen Hackstock. Aber man kann auch einen Metallkegel
benutzen.« Sie lächelte. »Man bindet dem Vogel die Füße zusammen und
streckt den Hals durch die Öffnung am Fuß des Kegels. Dann schneidet
man ihm den Hals durch.« Sie bewegte das Messer an Archies Kehle
entlang, mit der flachen Klinge, sodass sie ihn nicht schnitt.
»Entscheidend ist, dass man die Halsschlagader durchtrennt, damit das
Tier ausblutet. Aber die Luftröhre darf man nicht treffen.« Sie
blinzelte. »Es soll sehr anstrengend für die Vögel sein.«
»Keinen Millimeter weiter«, sagte Henry. »Sie kommen hier
nicht raus.«
»Sein Körper ist stark geschwächt«, sagte Gretchen. »Was
glauben Sie, wie viel Blutverlust er aushalten kann?«
Henry setzte sich auf, die Waffe weiter auf Gretchens Kopf
gerichtet. Dann stand er langsam auf. »Sie werden es nicht tun. Er ist
zu wichtig für Sie.«
Susan glaubte, Gretchen wanken zu sehen. Ihre Augenbrauen
zuckten, und sie hielt Archie näher an sich, ihre Knie drückten links
und rechts an seinen Oberkörper.
Henry hat recht, dachte Susan und gewann neue Zuversicht. Sie
würde Archie nicht töten. Sie hatte ihn gerade gerettet. Zum zweiten
Mal. Sie brauchte ihn lebend. Henry machte einen Schritt auf sie zu,
die Waffe erhoben.
Gretchen schnitt Archie die Kehle durch. Das Messer drückte
ins Fleisch, und dieses öffnete sich sanft wie die Haut einer
Aubergine. Blut sickerte aus der Wunde und färbte Archies Hals und
Brust dunkel.
Susan wurde schwindlig. Das Adrenalin, der Schock, die Furcht.
Sie wünschte, sie hätte den Stock in der Hand behalten, damit sie ihn
Gretchen ins Auge stoßen könnte. Es hätte sie vielleicht nicht getötet.
Aber die Wunde hätte sich wahrscheinlich entzündet. Und am Rande ihres
Bewusstseins glaubte sie, ganz leise Sirenen zu hören.
Gretchen sah Henry aus flammenden Augen an. »Bilden Sie sich
nie ein zu wissen, was ich tun werde«, sagte sie. Das Messer und ihre
Hand waren über und über voll Blut, ihre Hand sah aus wie ein roter
Handschuh. Gretchen schleckte die Klinge ab und grinste. »Ich mag
Menschen mit Leberschaden«, sagte sie. »Ihr Blut schmeckt so süß.«
Sämtliche Adern in Henrys Kopf waren hervorgetreten. Susan
glaubte, seinen Puls rasen zu sehen, es sah aus, als drohte er, die
Haut zu sprengen. Die Waffe hielt er umklammert, als wäre sie Gretchens
Hals.
»Noch nicht«, warnte ihn Gretchen.
Archie lebte noch. Er blutete. Aber das Blut spritzte nicht;
sie hatte keine Arterie getroffen. Er war blass, aber er schwitzte
noch. Tote Menschen schwitzten nicht, oder?
»Drück immer weiter auf die Wunde«, sagte Gretchen zu Susan.
»Sag ihnen, er hat eine Lebervergiftung. Er hat vor etwa drei Stunden
rund vierzig Tabletten genommen.« Ihre Lippen waren von dem Blut vom
Messer verschmiert.
Sie flüsterte etwas in Archies Ohr, küsste ihn auf die Wange,
wo sie einen blutigen Lippenabdruck hinterließ, und legte seinen Kopf
sanft auf den Boden. Dann verschwand sie durch die Tür zur Veranda.
Henry feuerte einen Schuss in ihre Richtung ab und stürzte ihr nach.
Susan hörte ihn drei weitere Schüsse in den Wald abgeben.
Susan lief wieder zum Tresen, schnappte sich ein kariertes
Geschirrtuch und lief dann zurück zu Archie, um es an seine Halswunde
zu halten. »Nicht sterben«, sagte sie zu ihm. Sie wischte ihm mit dem
Ärmel vorsichtig den blutigen Kuss von der Wange. »Wehe, Sie sterben.«
Draußen wurde das Geräusch der Sirenen lauter.
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D u lebst noch«, sagte Henry. »Und sie ist
entkommen.«
Genau über Archies Krankenhausbett war eine Sprinklerdüse. Es
war das Erste, was er sah, als er die Augen aufschlug. Das zweite war
Henry, der vor ihm stand. Dann Debbie, die auf der anderen Seite des
Betts in einem Sessel saß, eine aufgeschlagene Zeitschrift im Schoß.
Oh, Gott. Debbie.
»Sie ist ins Feuer geflohen«, sagte Henry. »Da war eine Menge
Rauch.« Er fuhr sich mit der Hand über den Kopf. »Wir durchsuchen das
Gebiet immer noch. Das Feuer könnte sie erwischt haben. Aber das glaube
ich erst, wenn wir ihre Überreste gefunden haben.«
Archie schloss die Augen wieder und rollte sich zur Seite.
Seine Haut juckte vor Schweiß, und alles tat ihm weh. Er wechselte die
Stellung, um eine erträgliche Position zu finden. Bei der Bewegung
krampften sich seine Eingeweide zusammen. Seine Hände zitterten so
heftig, dass er sie zwischen den Knien einklemmte. Er öffnete die
Augen. Selbst das Licht schmerzte. »Was ist los mit
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