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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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Blut auf Gretchens
Bluse stammte gar nicht von Archie. Es war Gretchens. Sie hatte sich
die Haut an den Handgelenken aufgerissen, als sie an der Handschelle
zerrte.
    Archie lebte vielleicht noch.
    »Den Teufel werde ich tun«, sagte Henry.
    »Er wird sterben«, sagte Gretchen. Sie sagte es ruhig, mit
vollkommener Überzeugung. »Machen Sie mich los, und ich rette ihn.«
    Susan sah zwischen Gretchen und Henry hin und her. Warum
unternahm niemand etwas?
    »Sie werden ihm helfen«, sagte Henry ebenso entschlossen,
»oder ich erschieße Sie.«
    Archie lebte noch. Susan war benommen. Ihre Nase tropfte durch
die Baumwollgaze durch, sie wischte sie ab. Der Rotz war schwarz vom
Ruß und dem Blut von ihrem Nasenbeinbruch. Archie war im Begriff zu
sterben.
    Gretchen sah zu Susan. »Machen Sie mich los«, sagte sie. Susan
warf einen Blick auf den Schlüssel. Gretchens Autorität war so absolut,
dass Susan wankte.
    »Susan, bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte Henry.
    »Tick, tack«, sagte Gretchen.
    Archie würde sterben. Wie Parker. Wie ihr Vater. Er starb
direkt vor ihren Augen.
    In diesem Moment bog sich Archies Rücken durch, und er bekam
einen Anfall. Susan wusste nicht, was los war, aber sie sah, wie sich
seine Beine bewegten und sein Brustkorb grässlich durchgedrückt war.
Susan hatte bei ihrem Vater genau solche Anfälle beobachtet. »Helft
ihm«, flehte sie. Sie weinte. Sie konnte nicht anders. Sie gehörte
nicht hierher. Sie konnte nicht aufhören zu zittern. Sie konnte nicht
klar denken. Alles brach zusammen.
    »Susan, meine Handtasche«, sagte Gretchen.
    Susan würde Archie nicht sterben lassen. Nur das zählte.
Gretchen wirkte so selbstgewiss. Sie war Krankenschwester gewesen. Sie
wusste, was zu tun war. Sie konnte ihn retten. Sie hatte es schon
einmal getan. Susan sah zu der weißen Tasche auf dem Tresen, packte sie
und schleuderte sie in Richtung Gretchen.
    Sie bedauerte es im selben Augenblick, aber es war bereits zu
spät.
    Die Handtasche segelte durch die Luft und landete auf
Gretchens Knie.
    Henry wurde von der Bewegung abgelenkt, er wandte den Blick
für einen Moment von Gretchen und rief: »Nein!«
    Im Handumdrehen hatte Gretchen die Tasche geöffnet und
richtete eine Waffe auf Henrys Kopf. Sie kauerten einander gegenüber,
der Lauf ihrer Waffen war jeweils nur Zentimeter vom Kopf des anderen
entfernt. Gretchens Augen strahlten, in ihren Mundwinkeln glitzerte
Speichel. Zwischen ihnen lag Archies lang hingestreckte Gestalt, der
Anfall war vorüber. Er war wahrscheinlich tot, wurde Susan klar.
Entsetzt darüber, was sie getan hatte, führte sie die Hand zum Hals.
    Gretchen lächelte. »Sie sollten nicht mit Amateuren arbeiten,
Henry.«

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    S usan«, sagte Henry leise, »verschwinden
Sie von hier.«
    Es war zu spät. Susan war zu keiner Bewegung fähig. Nicht weil
sie vor Angst erstarrt wäre. Sondern weil sie so verdammt wütend auf
sich selbst war, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte.
    »Denk nicht mal dran, Täubchen«, sagte Gretchen. »Du willst
Archies Leben retten, oder? Die Spritze ist in meiner Handtasche. Komm
her.«
    Susan war wie gelähmt.
    »Du kannst Archies Leben retten, wenn du deinen Arsch
unverzüglich hier rüberschaffst.«
    Susan wischte sich noch etwas blutigen Rotz von der Nase, dann
löste sie sich unter Aufbietung aller Willenskraft aus ihrer
Erstarrung. Sie schob das Schälmesser in die Gesäßtasche ihrer Jeans
und machte einen zögerlichen Schritt auf Gretchen zu.
    »Verschwinden Sie von hier«, sagte Henry. »Gehen Sie zur
Straße. Versuchen Sie, den nächsten Ort zu erreichen.«
    Susan ging weiter. Sie spürte, wie das scharfe kleine Messer
durch den Stoff an ihre Haut drückte, und es war das Einzige, was sie
weiter antrieb. Sie ging im Geist eine Liste möglicher Ziele durch.
Gretchens vollkommene blauen Augen, die elegante Linie der
Halsschlagader. Zustechen und umdrehen. Es war ein kleines Messer,
gewiss, aber es würde reichen, damit Henry Gretchen die Waffe entwinden
konnte. Oder ihre eine Kugel zwischen die Augen schießen konnte.
    Als Susan näher kam, erhielt sie einen besseren Blick auf
Archie. Seine Augen waren weiße Schlitze, und seine Haut hatte eine
bläuliche Tönung. Sie kämpfte gegen Tränen der Wut. Henry hatte immer
noch eine Hand an Archies Puls. Susan sagte sich, dass es ein gutes
Zeichen war. Es bedeutete, dass es noch einen Puls zu fühlen gab.
    Susan blieb stehen und sank vor Gretchen auf die Knie. Die
Halsschlagader war am besten, entschied

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