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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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jetzt schon dort sind.«
    »Gut, dann erzählen Sie mir die Geschichte«, sagte Susan.
    »Welche Geschichte?«
    »Wie Sie eine Prinzessin der Lummi-Indianer geheiratet haben.«

_64_
    S ie waren aus der Feuerzone in den grünen
Wald aus Ponderosa-Kiefern gewandert. Ein Brandmal auf der Straße
kennzeichnete die Trennlinie. Auf der einen Seite alles schwarz und
zerstört, auf der anderen Kiefernnadeln und -zapfen, purpurne Blüten
und Präriegras. Noch immer lag dichter Rauch in der Luft, und die
einzigen Geräusche kamen von einem gelegentlichen Löschflugzeug oder
einem Hubschrauber, die über sie hinwegflogen. Keine Polizeiautos.
Keine Sirenen.
    Susan bemerkte, dass Henrys Haut, die Haare und seine Kleidung
von Asche bedeckt waren. Sie wischte sich über das Gesicht, und ihre
Hand war dreckverschmiert.
    Die Dunkelheit brach in den Bergen schnell herein. Die
untergehende Sonne sah aus wie eine von orangefarbenem Nebel
eingehüllte Straßenlampe. Der halbe Himmel war mit Sternen geschmückt,
die andere Hälfte von Ruß und Rauchpartikel verdeckt. Sie hatten nicht
viel Zeit. Ohne Taschenlampe würden sie in einer Stunde nichts mehr
sehen.
    Susans Augen waren wund vom Rauch, doch wenn sie in ihnen
rieb, schienen sie nur noch gereizter zu werden. Sie sah auf ihre
Hände. Sie waren voller Asche. Sie wischte sie an ihrer Hose ab.
    »Das muss es sein«, sagte Henry und hielt in der Nähe des
Meilensteins 92, wo ein Kiesweg sich den bewaldeten Hang
hinaufschlängelte.
    Er klappte sein Handy auf, es leuchtete hellblau im violetten
Dämmerlicht. »Noch immer kein Netz«, sagte er. »Der Mast steht
wahrscheinlich nicht mehr.«
    Susan spähte die Straße hinauf. Der Rauch ließ alles weich und
merkwürdig still erscheinen. »Wo ist nun die Kavallerie?«, fragte sie.
    Henry zog die Waffe aus dem Schulterhalfter, sah den Highway
hinauf und hinunter und blickte dann auf den Kiesweg. »Sie sind noch
nicht da.«
    »Wieso nicht?«, fragte Susan. Sie hatten Claire vor einer
Stunde angerufen. Irgendetwas stimmte nicht. Sie hätten inzwischen hier
sein müssen.
    »Das Feuer«, sagte Henry. »Die Polizei in Sisters evakuiert
wahrscheinlich gerade die Stadt. Der Flugplatz ist möglicherweise
geschlossen, deshalb können die anderen nicht kommen, keine Ahnung. Sie
warten am besten hier. Bestimmt kommt ein Löschtrupp vorbei.«
    Susan schüttelte den Kopf. »Nein, da kommt keiner. Sonst
hätten wir sie schon gesehen. Sie bekämpfen das Feuer woanders. Und Sie
werden mich nicht zurücklassen.«
    »Das Feuer ist nach Norden gezogen«, sagte Henry.
    Susan sah zum Himmel. »Und wenn der Wind dreht?«
    Henry wandte den Kopf in beide Richtungen des menschenleeren
Highways. Dann ging er den Kiesweg hinauf, die Waffe behielt er in der
Hand. »Also gut.«
    Susan schloss zu ihm auf. »Okay«, sagte sie.
    Sie brauchten eine halbe Stunde zum Haus, es war nicht schwer
zu finden. Es war das einzige an dem Kiesweg. Sie sahen als Erstes den
Briefkasten. Dann die Lichter durch die Bäume.
    Das Haus war nicht sehr alt. Es war in dem für den Nordwesten
typischen Blockhüttenstil gebaut, mit einer Steinfassade rund um die
breite Eingangstür. Der silberne Jaguar stand davor.
    »Bleiben Sie hier«, sagte Henry, hob die Waffe und begann in
Richtung Haus zu laufen.
    Susan hastete ihm hinterher, Kiefernzapfen und Zweige knackten
unter ihren Füßen.
    »Oh, verdammt noch mal«, sagte er und drehte sich um.
    »Ich bleibe nicht allein hier draußen«, sagte Susan. Der
Lichtschein am westlichen Himmel sah aus wie ein Sonnenuntergang.
    Henry packte sie an den Schultern. »Ich brauche Sie hier
draußen, denn wenn Archie da drinnen ist und mir etwas zustößt, müssen
Sie Hilfe holen.«
    Susan wusste nicht, wie sie das anstellen sollte. Die
Kilometer nach Sisters zu Fuß laufen? Einen vorbeifliegenden
Hubschrauber aufhalten? Aber der Ernst in Henrys Gesichtsausdruck ließ
sie nicken.
    Henry hob wieder die Waffe und schlich zum Haus, er duckte
sich, als er an den vorderen Fenstern vorbeikam. Dann war er an der
Veranda und näherte sich der Tür. Er öffnete sie und verschwand im
Haus. Susan war allein.
    Einige Minuten vergingen. Ein Eichhörnchen huschte an dem Baum
hinauf, neben dem Susan stand. Es war in vier Sätzen am Wipfel und
blieb dort reglos sitzen.
    Die Eingangstür zum Haus war noch immer offen.
    Susan tastete auf dem Boden umher und hob den spitzesten Stock
auf, den sie fand. In einer Hand hatte sie den Stock, in der anderen
die Wasserflasche. Sie konnte

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