Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
erwiderte seinen Blick unverwandt, sagte aber
nichts. Und Lewis fiel wieder ein, wie sie ihn ange
fleht hatte, mit ihr zu flüchten. Erinnerte sich an ihre
Worte: Das ist deine letzte Chance, Lewis … Und
daran, wie sie sich an ihn geklammert hatte; und er
fragte sich, wie er nur so blind und so dumm hatte
sein können.
»Sie hat ihre Pflicht getan«, sagte Finn. »Sie hat
mich aufgesucht, und ich habe ihr zuerst nicht ge
glaubt. Ich wollte nicht glauben, dass unter allen
Menschen ausgerechnet du so etwas tun würdest.
Aber Anne konnte unwiderlegbare Beweise vorle
gen. Danach fiel es ihren und meinen Leuten nicht
schwer, weiteres Material zu finden. Du hast dir gro
ße Mühe gegeben, die Spuren zu verwischen, aber
Menschen reden immer. Dann sind wir zum König
gegangen. Auch er wollte es nicht glauben, aber so
bald er unsere Beweise gesehen hatte, konnte sogar
seine Freundschaft dich nicht mehr vor den Folgen
deines Verrats schützen.« Finn schüttelte traurig den
Kopf. »Wie konntest du nur, Lewis? Er war dein
Freund und Partner nicht weniger als dein König!«
»Erspare mir die Scheinheiligkeit«, verlangte Le
wis. »Sie steht dir nicht, Finn. Du sprichst immer
wieder von Beweisen! Welche Beweise?«
Finn seufzte schwer und bedauernd und führte ei
ne gebieterische Handbewegung aus. Ein Video
schirm tauchte vor dem Plenum in der Luft auf. Und
er zeigte Lewis und Jesamine, wie sie einander in
den Armen lagen und sich mit weißglühender Lei
denschaft küssten. Man konnte diese Szene unmög
lich in etwas anderes umdeuten als das, was sie zeig
te: einen Mann und eine Frau, die sich liebten und
füreinander entbrannt waren. Lewis erkannte die Bil
der sofort wieder. Er erkannte den Korridor. Er sah
hier eine Aufnahme der Kamera, die über Annes Bü
rotür montiert war. Der Bildschirm erlosch und ver
schwand, und ein leises, zorniges Murmeln breitete
sich unter den Abgeordneten aus. Lewis blickte zum
König hinauf, der steif auf dem Thron saß.
»Oh Gott, Douglas, es tut mir so Leid …«
»Spare dir das Schuldeingeständnis für den Pro
zess auf, Todtsteltzer«, verlangte Finn. »Obwohl du
natürlich jede Menge Grund für Schuldgefühle hast.
Unsere Ermittlungen haben Beweise für weitere
Verbrechen, weitere Akte des Verrats an König und
Imperium erbracht. Mit Erlaubnis des Hohen Hauses
haben wir dein Lektronenhirn geknackt und deine
versteckten Dateien gelesen. Dort haben wir alle Ar
ten interessanter Daten gefunden, darunter unmiss
verständliche Hinweise, dass du von Anfang an kalt
blütig geplant hattest, mit Hilfe von Jesamines
Reichtum deine unmäßigen Schulden zu begleichen.
Wusste sie davon, Lewis? Wusste sie, dass du sie nur
benutzt hast?«
»Das ist nicht wahr!«, erwiderte Lewis hitzig. Er
traf Anstalten, sich mit geballten Fäusten auf Finn zu
stürzen, nur um abrupt anzuhalten, als jeder Wach
mann und jeder Sicherheitsmann mit der Strahlen
waffe auf ihn zielte. Lewis knurrte lautlos und wir
belte zu Jesamine herum, die neben dem Thron
stand. »Jes, du weißt, dass das nicht stimmt!«
Aber sie sah ihn nicht an und reagierte auch sonst
nicht auf ihn.
Finn gestattete sich ein leises Lächeln. Er wusste,
dass es nicht stimmte. Er hatte dem schätzenswerten
Herrn Sylvester viel Geld bezahlt, damit dieser sorg
fältig verfälschte Informationen in Lewis’ Dateien
einbaute, ehe Finn den eigenen Leuten die Vollmacht
erteilte, das Lektronenhirn zu knacken. Er verfolgte
interessiert, wie sich Lewis langsam im Hohen Haus
umblickte und überall die Verdammung sah. Lewis’
Augen blieben schließlich auf Anne ruhen.
»Wie konntest du nur, Anne? Wir waren so lange
befreundet …«
»Ich kenne dich nicht mehr, Lewis«, erklärte Anne
kategorisch. »Und vielleicht … hast du mich nie ge
kannt.«
»Ich habe dir vertraut«, sagte Douglas auf einmal,
und aller Augen wandten sich ihm zu. Er wirkte mü
de, fertig, fast gebrochen. Er betrachtete Lewis, als
wäre dieser für ihn ein Fremder. »Mein Freund, mein
Partner, mein Champion. Habe ich mich all diese
Jahre so in dir geirrt?
War unsere Freundschaft jemals etwas anderes als
eine Lüge? War ich nur jemand, den du für deinen
Ehrgeiz benutzen konntest? Ich habe dir mein Leben
und meine Ehre anvertraut, und du hast mich verra
ten. Du warst der Bruder, den ich nie kennen gelernt
hatte, und du hast meine Liebe zurückgewiesen …
für Sex, für Geld … oder ging es noch um mehr?
Hattest du vor, deinem fernen Ahnen
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