Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
des Fußbodens explodierte zufrieden stellend laut
und kollabierte, wodurch ein klaffendes Loch von
gut drei Metern Durchmesser entstand. Lewis sprang
hinein, ohne zu zögern, während ein Dutzend weitere
Energiestrahlen die Luft an der Stelle durchschlugen,
wo er eben noch gestanden hatte. Es war ein relativ
kurzer Sprung in die Wartungstunnel darunter, und er
landete lässig. Ein kurzer Blick in die Runde, um
sich zu orientieren, und dann rannte er schon. Er
kannte jeden Zoll des Hohen Hauses, das zu schützen
er geschworen hatte.
Die Wach- und Sicherheitsleute hockten sich an
die Kanten des großen Lochs und blickten zweifelnd
hinein. Absolut niemand war scharf darauf, dem
Todtsteltzer in unbekanntes Gelände zu folgen. Be
sonders nicht, wenn er dort irgendwo auf sie lauerte
… Finn schob sich durch die Wachen, wobei er stark
humpelte und die eingetretenen Rippen mit einem
Arm barg. Er war weiß vor Schmerzen und Wut,
aber er beherrschte seine Miene sorgsam. Er blickte
finster ins Loch und wandte sich dann mit ebensol
chem Ausdruck an die Wachleute.
»Steigt in dieses Loch hinab, und zwar sofort, oder
ich erschieße Euch, das schwöre ich!«
Niemand zweifelte daran, dass er es ernst meinte.
Die Wachleute blickten einander an, seufzten schwer
und ließen sich einer nach dem anderen langsam und
sehr vorsichtig in die Tunnel darunter hinab, die Pis
tolen schussbereit in den Händen. Aber natürlich war
der Todtsteltzer bis dahin schon lange verschwun
den, hatte sich fachkundig in dem Labyrinth aus
Wartungstunneln unter dem Parlamentsgebäude ver
drückt, die aller Welt ein Rätsel waren. Abgesehen
von den wenigen Unglücklichen, die hier regelmäßig
ihrer Arbeit nachgingen, und denjenigen, die darüber
Bescheid wussten, weil das ihre Aufgabe war. Auch
Finn kannte sich in den Tunneln aus; aber er war
nicht dumm genug, um einen wütend gewordenen
Racheengel von Todtsteltzer zu verfolgen. Zumin
dest nicht, bis er nicht einige Zeit in einer Regenera
tionsmaschine zugebracht und sich anschließend mit
jeder Waffe ausgerüstet hatte, die man unter der
Sonne fand.
König Douglas sank langsam auf den Thron zurück
und betrachtete mit finsterer Miene die Konfusion, die
sich ihm darbot. Er wusste, dass Lewis inzwischen
entkommen war. Keiner dieser Leute war schnell oder
clever genug, um den Todtsteltzer einzuholen. Sobald
sie erst mal damit fertig waren, die Tunnel Meter für
Meter abzusuchen, war Lewis längst aus dem Gebäu
de entwischt. Frei wie ein Vogel. Douglas wusste
nicht recht, wie er sich bei diesem Gedanken fühlte.
Er wollte, dass Lewis für das, was er getan hatte, vor
Gericht gestellt und bestraft wurde, sei es auch nur
dafür, dass er eine solche Enttäuschung war; aber er
wünschte nicht seinen Tod. Man konnte jemanden
nicht einfach dafür umbringen, dass er sich in die fal
sche Frau verliebte. Die restlichen Vorwürfe mussten
Lügen oder Missverständnisse sein. Das mussten sie
einfach! Douglas seufzte schwer. Er konnte sich nicht
so sehr in einem Mann irren, den er seit so vielen Jah
ren kannte! Das war einfach nicht möglich. Wenigs
tens blieb ihm noch Finn …
Lewis würde nicht zurückkehren, was immer er
gesagt hatte. So dumm war er nicht. Er würde sich
die Chancen ausrechnen und die einzig vernünftige
Entscheidung treffen. Er würde fliehen, den Planeten
verlassen, auf den Randwelten untertauchen – und
Douglas brauchte ihn nie wieder zu sehen. Also …
Lewis war ausgestoßen, in Schande gestürzt, recht
los. Ganz wie sein Ahne, der gesegnete Owen. Lewis
behielt schließlich doch Recht. Das Glück der Todt
steltzers. Immer nur Pech.
Douglas wurde sich allmählich der Tatsache be
wusst, dass Jesamine immer noch neben ihm stand.
Er gab den beiden Wachleuten, die sie festhielten,
einen scharfen Wink, und sie ließen sie sofort los.
Jesamine rieb sich die Druckstellen an den Armen
und betrachtete Douglas mit verwundetem Blick. Er
erwiderte diesen Blick kalt.
»Dein Liebhaber ist verschwunden, Jes. Rechne
nicht damit, ihn wieder zu sehen! Er weiß, dass er ein
toter Mann ist, falls er sein Gesicht auf diesem Plane
ten je wieder offen zeigt. Durch die Flucht hat er sei
ne Schuld bestätigt.«
Jesamine wollte etwas sagen, brachte aber kein
Wort hervor. Zu viele Gedanken stürzten in ihrem
Kopf übereinander. Sie schluckte schwer, fuhr mit
der Zunge über die trockenen Lippen und konzent
rierte sich auf das Einzige, was von Bedeutung war:
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