Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
sorgfältig Ausschau nach möglichen Verfol
gern, und er setzte alle Techniken der Flucht und des
Ausweichens ein, die er in seinen Jahren als Paragon
von Gaunern und Verrückten gelernt hatte, denen er
durch die Stadt nachsetzte. Die Ironie seiner Position
entging ihm nicht. Er war genau das geworden, was
er sein Leben lang bekämpft hatte. Er war jetzt der
Verbrecher.
Niemand erhielt die geringste Chance, ihn zu
schnappen, während er sich langsam und mühselig
einen Weg durch die Stadt suchte, und das änderte
sich auch nicht, als das Parlament ihm seine Paragon-Kollegen auf die Fährte setzte. Lewis dachte
sich gern, dass sie nicht allzu angestrengt suchten.
Dass sie falsche Anschuldigungen durchschauten,
wenn sie sie sahen. Aber egal, das hier war auf jeden
Fall seine Stadt, und niemand kannte ihre Geheim
nisse besser als er. Lewis Todtsteltzer tauchte unter,
während sich eine ganze Stadt auf der Suche nach
dem größten Verräter des goldenen Zeitalters von
innen nach außen stülpte.
Er versteckte sich in einem alten Lagerraum, den
er in seiner Zeit als Paragon schon benutzt hatte. Er
bestand nur aus einer anonymen Metallhülle und ge
hörte zu einer langen Reihe solcher Bauwerke direkt
vor dem Hauptraumhafen – schlichte stahlgesäumte
Räume von rund drei Metern Seitenlänge mit großen
starken Schlössern, in denen zum Beispiel Besat
zungsmitglieder von Sternenkreuzern bei raschem
Personalwechsel zusätzliches Gepäck und anderes
verstauen konnten. Diese Lagerräume waren billig,
anonym, sicher und praktisch unsichtbar, es sei denn,
jemand wusste, wonach er suchte. Lewis hatte einen
davon langfristig unter anderem Namen gemietet, um
dort diverse Dinge zu verwahren, die er in einem
Notfall vielleicht mal brauchte. Oder von denen die
Behörden lieber nichts erfuhren.
Dazu gehörten Kleidungsstücke zum Wechseln,
zusätzliche Waffen (meist illegaler Natur), falsche
Ausweise und Kreditkarten und ein paar nützliche
technische Geräte hinterhältiger Art. Lewis hatte fal
sche Identitäten schon als Paragon nützlich gefun
den, wenn er mal verdeckt ermitteln musste, um In
formationen zu erlangen, die er brauchte. Vor allem
an Stellen, wo ihn sein auffallend hässliches Gesicht
sonst sofort um Kopf und Kragen gebracht hätte.
Niemand außer ihm wusste von diesen anderen Iden
titäten. Nicht mal Douglas. Lewis fand solche Tätig
keiten abscheulich und sogar ansatzweise ehrlos,
aber er verrichtete sie, weil sie zu seinem Job gehör
ten und nötig waren, um an nützliche Informationen
und Tipps zu kommen; nie jedoch hatte er sich ge
neigt gefühlt, sich ihrer zu rühmen.
Er verfügte sogar über einfache Bodyshop-Geräte,
mit denen er sich bei Bedarf ein neues Gesicht zule
gen konnte. Niemand hatte je erwartet, Lewis würde
mal seine berühmt hässlichen Züge aufgeben, aber er
wusste von jeher, dass es bei der Arbeit eines Para
gons um mehr ging, als nur zu kämpfen. Er war
durchaus fähig, sich zuzeiten subtiler und sogar
nachgerade verschlagener Methoden zu bedienen.
Wenn es nötig wurde.
Als Erstes befreite er sich von der schwarzen Le
derrüstung des Champions, warf ihre Einzelteile auf
den Boden und versetzte ihnen einen kräftigen Tritt.
Er hatte sie nie gemocht. Neue Sachen, neuer Aus
weis, neue Kreditkarte, und er war ein neuer Mensch.
Ein leichter Technohalsring produzierte auf hologra
fischem Wege ein neues Gesicht von so durch
schnittlichem Aussehen, dass es praktisch unsichtbar
war. In Verbindung mit der richtigen unauffälligen
Körpersprache würde niemand auf der Straße ihm
einen zweiten Blick zuwerfen. Er griff jedoch nicht
auf die Bodyshop-Technik zurück, um das Gesicht
zu verändern. Er war noch nicht bereit, alle Verbin
dungen zu seinem früheren Leben zu kappen. Noch
bestand die Möglichkeit, dass er beweisen konnte,
kein Verräter zu sein, und irgendwie ins alte Leben
zurückzukehren, falls nicht die alte Stellung. Entwe
der glaubte er daran oder wurde verrückt.
Nur … dass er Jesamine immer noch liebte. In die
sem Punkt zumindest war er ein Verräter. Und würde
es immer sein.
Er verbannte diesen Gedanken entschieden und
zwang sich, lieber über die unmittelbaren Probleme
nachzusinnen. Er schnallte sich einen neuen Waffen
gurt mit Schwert und Pistole um und schob eine
Handvoll Wurfmesser und weitere Überraschungen
dorthin, wohin sie gehörten. Er runzelte bedauernd
die Stirn, als er sich einen Kraftfeldgenerator ans
Weitere Kostenlose Bücher