Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
und dich
nicht einmischen. Du wirst hinter den Kulissen und
in der Öffentlichkeit reichlich zu tun haben, aber das
Parlament ist Douglas’ Revier und nicht deines.
Hast du das verstanden?«
Jesamine musterte Anne erst finster, zuckte
schließlich aber die Achseln. »Tyrannin! Ich werde
den Dingen noch meinen Stempel aufdrücken, warte
nur ab. Nur … halt nicht im Parlament. Also – was
tust du, während ich herumstehe wie eine überzähli
ge Brautjungfer auf einer Hochzeit?«
»Ich habe noch weniger Recht als du, mich im
Plenarsaal blicken zu lassen«, antwortete Anne.
»Ich bin nur Protokollchefin, nicht mehr als eine
bessere Beamtin. Ich bleibe also genau hier und be
halte auf den Monitoren alles im Auge. Ich bleibe
über die Komm-Implantate mit euch in Verbindung
und stehe euch mit Rat und aktuellen Nachrichten
zur Seite. Ich habe alles getan, was in meiner Macht
stand, um einen privaten Kanal aufzubauen, den
niemand abhören oder unterbrechen kann, aber falls
ich mal eine Zeit lang verstumme, braucht ihr nicht
in Panik zu geraten. Ich melde mich schon wieder.
Falls ihr mir etwas mitteilen müsst, bewegt nur die
Lippen. Ich werde es hören. Aber sprecht möglichst
in Rätseln. Es wäre nicht das erste Mal, dass Abge
ordnete Lippenleser einsetzen.«
»Wie es aussieht, sind die meisten ehrenwerten
Abgeordneten bereits im Plenarsaal«, stellte Jesami
ne fest. Sie erhob sich anmutig und schwebte zu den
Monitoren hinüber, auf denen die Bilder liefen. »Es
scheint ganz schön voll zu werden. Es ist eine Ewig
keit her, seit ich zuletzt so viele Abgeordnete im Ple
narsaal gesehen habe.«
»Natürlich«, sagte Anne und trat zu ihr. »Nicht
mal die wichtigsten Debatten ziehen solche Massen
an. Nur ein Bruchteil der Arbeit, die ein Abgeordne
ter zu leisten hat, findet im Plenum statt. Die echten
Geschäfte macht man hinter den Kulissen. Nein,
Douglas, dieses Interesse gilt allein Euch.«
»Wundervoll«, sagte Douglas. »Ich darf nicht ver
gessen, ihnen allen nette kleine Dankschreiben zu
schicken.«
Anne wies Jesamine auf einige der berühmteren
Namen und Gesichter hin, und Jes wusste zu jedem
etwas Beleidigendes und Abstoßendes zu sagen. Le
wis nutzte die Gelegenheit, um ein paar leise Worte
mit Douglas zu wechseln.
»Warum hast du mir nicht früher gesagt, dass ich
dein Champion werden würde?«, fragte er rundher
aus. »Warum hast du mich so damit überfallen? Ich
hätte ein bisschen Zeit gebrauchen können, um mich
darauf vorzubereiten.«
»Keine Chance«, erwiderte Douglas entschieden.
»Ich kenne dich doch, Lewis. Hätte ich dir Zeit ge
geben, darüber nachzudenken, dann hättest du auch
eine Möglichkeit gefunden, dich herauszuwinden.
Du bist von jeher viel zu bescheiden, hast viel zu
wenig Ehrgeiz, als für dich gut ist. Was einer der
Hauptgründe war, dich auszuwählen. Und weil wir
als Partner stets so gut zusammengearbeitet haben.
Ich brauche einen Champion, auf den ich mich ver
lassen kann und bei dem ich darüber keine Zweifel
zu hegen brauche.«
Lewis zog eine Braue hoch. »Du kannst Finn Du
randal nicht trauen?«
»Verdammt, nein! Finn hat von jeher seine eigenen
Anliegen. Er wollte Champion werden, und er wollte
es aus all den falschen Gründen. Und nach dem, was
er in der Arena mit den Elfen angestellt hat … Er hat
sie nicht exekutiert, um der Gerechtigkeit zu dienen.
Er hat sie umgebracht, weil er ihren Angriff auf sein
Revier als Schlag ins Gesicht empfand. Er hat sie
kaltblütig massakriert, weil sie Schuld hatten, dass er
schlecht dastand.«
»Das ist ein bisschen hart geurteilt, findest du
nicht?«, versetzte Lewis.
»Wirklich?«
»Finn ist im Grunde seines Herzens ein guter
Mensch«, fand Lewis. »Ein bisschen kaltherzig, ja.
Nicht besonders leicht, mit ihm klarzukommen. Aber
er ist wirklich der größte Paragon aller Zeiten! Nie
mand kann seine Bilanz vorweisen.«
»Und nichts davon ist von Belang, falls ihn die
falschen Motive bewegen«, entgegnete Douglas.
»Finn ist ein Killer, Lewis; also hat er sich einen Job
gesucht, in dem er Leute umbringen kann. Die Arena
hätte jemanden seines Schlages nie zufrieden stellen
können. Denn wenn er auf der Straße jemanden tötet,
bleibt der auch tot.«
»Wie kannst du nur so was Schreckliches sagen!«
»Zweifelst du daran?«
Lewis schüttelte langsam den Kopf. »Also. hast du
mich nicht nur deshalb ausgewählt, weil ich ein
Todtsteltzer bin?«
»Nein«, antwortete Douglas lächelnd. »Ich
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