Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Toiletten
finde und ob ich das Geld fürs Mittagessen vergessen
habe. In meiner Zeit als Paragon war alles so viel
einfacher! Und ich komme mir ohne die Waffen
nackt vor!«
»Ihr könnt im Plenarsaal keine Waffen tragen!«,
erklärte Anne mit Entschiedenheit. »Niemandem ist
das gestattet. So entspricht es der Tradition. Andern
falls hättet Ihr Duelle auf dem Parkett des Plenar
saals, sobald jemand in der Gefahr schwebt, eine De
batte zu verlieren. Lewis darf nur deshalb seine Waf
fen tragen, weil er Euer offizieller Leibwächter ist.
Von jetzt an sind wir Eure Waffen – Lewis und Jes
und ich. Ihr zielt mit uns auf Eure Probleme, und wir
lösen sie für Euch. Ihr braucht nicht nervös zu sein,
Douglas.«
»Ich bin nicht nervös! Ich möchte … die Dinge
nur endlich in Gang bringen. Dieses Herumsitzen
und Warten treibt mich zum Wahnsinn.«
»Sachte …«, mahnte ihn Lewis und trat näher an
den Freund heran, um ihm Kraft zu geben. »Soll sich
lieber der Feind Sorgen machen. Wir wissen alles
über ihn, und er hat keinen Schimmer von dem, was
wir planen. Nutze das!«
»Geht einfach kühl an die Sache heran«, empfahl
Anne beruhigend. »Lasst Euch nicht erschüttern. Ei
nige Abgeordnete werden zweifellos versuchen,
Euch aus dem Konzept zu bringen, nur um mal zu
sehen, ob es ihnen auch gelingt. Aber sie denken nur,
dass sie Euch auf die Probe stellen; in Wirklichkeit
sind wir es, die sie auf die Probe stellen, die ihre
Schwachpunkte und ihre versteckten Druckstellen
suchen. Der einzige König und Parlamentspräsident,
den sie kennen gelernt haben, war Euer Vater; sie
sind es zu sehr gewöhnt, ihren Willen zu bekommen,
um Euch ernst zu nehmen. Bis es zu spät ist. Wenn
wir erst mal mit ihnen fertig sind, spielen wir auf
dem Parlament wie auf einem Musikinstrument. Und
wir schwingen den Taktstock. Denn wir sind cleverer
und besser vorbereitet als die Abgeordneten.«
»Nein«, lehnte Douglas ab. »Ich möchte mich um
die moralischen Aspekte kümmern, nicht die Politik.
Lewis hatte zum Teil Recht. Mir geht es darum, das
Richtige zu tun, nicht das im Augenblick Zweckdien
liche. Deshalb werde ich auch nie im Zweifel oder
unsicher sein, was meine Position ist oder ob ich
Kompromisse schließen sollte. Das werde ich nicht
tun. Vergesst das niemals, Anne!
Wir sind nicht hier, um zu gewinnen. Wir sind hier,
um etwas Gutes zu bewirken.«
»Oh Darling, ich bekomme eine richtige Gänse
haut, wenn du so redest!«, sagte Jesamine. »Falls du
wirklich gut bist, zeige ich dir vielleicht später …
Oh, warte erst mal, bis ich Königin bin, offiziell ne
ben dir sitze und auf all die kleinen Politiker herab
blicke, während du sie dazu bewegst, wenigstens
einmal das Richtige zu tun!«
»Ah, Jes …«, warf Anne ein. »Du wirst im Hohen
Haus keinen offiziellen Platz haben. Nicht mal, wenn
du Königin bist. So legt es die Tradition fest. Der
König hat dort als Parlamentspräsident seinen Platz,
du aber nicht.«
Jesamine sah sie an. »Ich erhalte keinen Thron im
Parlament?«
»Nein, Jes.«
»Wo sitze ich dann?«
»Gar nicht. Du stehst zur Linken von Douglas,
während Lewis zu seiner Rechten steht.«
»Das kannst du vergessen! Ich stehe doch nicht
einfach nur herum!«, sagte Jesamine in gefährlichem
Ton. »Meine Tage als Statistin und Darstellerin von
Nebenrollen sind lange vorbei. Ich bin ein Star!«
»Nein, nicht im Parlament«, erwiderte Anne ru
hig. »Du hast dort keine offizielle Position. Auch
Douglas hat sie nicht als König, sondern als Parla
mentspräsident. Die Königin darf sich in Debatten
nicht zu Wort melden, und sie verfügt über kein
Stimmrecht. Nur aus Gründen der Höflichkeit ist dir
gestattet, zugegen zu sein. Versteh das nicht falsch,
Jes: Das Parlament ist nicht weniger ein Schlacht
feld als die Arena. Wahrscheinlich wird auf blutbe
flecktem Sand eher Gnade gewährt als im Plenar
saal. Mach nur einen Fehler im Angesicht der Ab
geordneten, und sie nehmen dich auseinander und
benutzen dich als Knüppel, um damit auf Douglas
einzuschlagen. Das ist anders als im Showgeschäft,
wo das Schlimmste, was man nach einer schlechten
Aufführung zu erwarten hat, eine schlechte Kritik
ist. Falls die Abgeordneten dich jemals als schwa
ches Glied betrachten sollten, als Angriffspunkt, um
Douglas’ Stellung zu untergraben, wird mir nichts
anderes übrig bleiben, als dich aus dem Hohen Haus
zu verbannen. Deshalb wirst du zunächst nur
schweigend zusehen, huldvoll lächeln
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