Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
die überwältigende Bedeu
tung der Transzendenz. Unterstützt mich, und ge
meinsam machen wir es ihnen deutlich!«
»Einfach so«, sagte Angelo, lehnte sich zurück
und betrachtete Finn nachdenklich.
»Nein, nicht einfach so«, erklärte Finn geduldig.
»Es erfordert Zeit und furchtbar viel Planung. Einen
nach dem anderen werde ich die Leute stürzen, die
uns entgegenstehen, und sie durch neue Leute erset
zen, die unseren Wünschen zugänglicher sind. Ge
meinsam werdet Ihr und ich eine neue politische
Macht aufbauen und lenken, die Militante Kirche.
Eine Kirche innerhalb der Kirche, die die Fantasie
der Öffentlichkeit entzündet und zu einer Macht he
ranwächst, vor der sich sogar die hohen und mächti
gen Abgeordneten beugen müssen. Und das Laby
rinth des Wahnsinns wird nur eine der Belohnungen
darstellen … Ich frage Euch erneut, Angelo Bellini:
Seid Ihr mit dem zufrieden, was Ihr erreicht habt?
Mit Eurer Kirche? Eurem Leben? Oder habt Ihr den
Mut, nicht nur Eurer Leben zu verändern, sondern
das der ganzen Menschheit?«
»Als Paragon vergeudet Ihr Euer Talent, Finn Du
randal«, sagte Angelo. »Ihr solltet in die Politik ge
hen.«
»Das bin ich schon«, sagte Finn. »Die Leute wis
sen es nur noch nicht.«
»Gestattet mir, Euch meine Geschichte zu erzäh
len«, sagte Angelo, und Brett seufzte innerlich. Alle
Welt kannte die Geschichte des Engels von Madra
guda. Sie war schon mehrfach inszeniert worden,
und Gott wusste, dass Angelo sie oft genug in Chats
hows vorgetragen hatte. (Natürlich immer beschei
den!) Bellini war als Geiselunterhändler tätig gewe
sen. Teufel des Höllenfeuerclubs hatten eine Kirche
besetzt. Bellini redete ihnen aus, die Geiseln zu töten.
Der Mut der beteiligten Priester beeindruckte ihn so,
dass er selbst der Kirche beitrat und dort zum Kardi
nal aufstieg. Die Medien machten einen Heiligen aus
ihm. Jeder kannte diese Geschichte. Angelo las es an
den Gesichtern seiner Besucher ab. Er lächelte kurz.
»Nein, meine Freunde; Ihr glaubt nur zu wissen, was
vor all diesen Jahren auf Madraguda geschehen ist.
Ich möchte Euch erzählen, wie es wirklich war.«
Es war vier Uhr morgens, und es regnete heftig, als
Angelo vor der Kirche eintraf. Er stieg aus dem Wa
gen, die Schultern im strömenden Regen hochgezo
gen, und nahm von dem uniformierten Friedenshüter
eine Tasse dampfenden Kaffees entgegen. Das hier
versprach schlimm zu werden. Man hätte ihn nicht
zu dieser unchristlichen Stunde aus dem Bett geholt
und hierhergeschleppt, wenn etwas Geringeres vor
gelegen hätte als Pfusch der Spitzenkategorie. Ange
lo schluckte den siedend heißen Kaffee herunter und
blickte durch den vom Wind gepeitschten Regen zur
Kathedrale der Heiligen Beatrice hinüber. Madragu
das einzige Kathedrale war gar nicht so groß oder so
eindrucksvoll, aber sie war das geistliche Herz der
Stadt, und eine Menge Leute würden stinksauer rea
gieren, falls der Höllenfeuerclub seine Drohung wahr
machte und diese Stätte des Gebets mit dem vergos
senen Blut Unschuldiger entweihte. Die Leute könn
ten glatt sauer genug reagieren, um den Stadtrat ab
zuwählen, der so etwas hatte geschehen lassen. Also
griff der Rat auf die Friedenshüter zurück, und diese
griffen auf Angelo Bellini zurück, auf dass er zur Ka
thedrale herauskäme und ein Wunder wirke. Ein wei
teres Mal …
Er entdeckte den Einsatzleiter drüben bei den
flappenden Signalbändern, mit denen die Kathedrale
abgesperrt war, und lief zu ihm hinüber. Hauptmann
Jakobs war in seinem langen Uniformmantel eine
große und imposante Erscheinung, aber er blickte
Angelo beinahe verzweifelt entgegen. Das lag nicht
nur am Druck von oben, wie Angelo sehen konnte.
Er bemerkte, mit welcher Miene der Hauptmann zur
Kathedrale blickte, und der Magen stülpte sich ihm
um. Etwas war schief gelaufen. Etwas war ausge
sprochen schiefgelaufen. Er nickte dem Hauptmann
zu und bemühte sich um gelassene Miene. Er hielt
Jakobs seine Tasse Kaffee entgegen, aber der
Hauptmann schnitt eine Grimasse.
»Ich habe von dieser Brühe schon so viel getrun
ken, wie ich ertragen kann. Habt Ihr von der Einsatz
zentrale einen Lagebericht erhalten?«
»Nur in groben Zügen«, antwortete Angelo.
»Dann seid Ihr nicht im Bilde. Ihr seid nicht der
erste Unterhändler, den wir gerufen haben. Hen
dricks ist vor etwas über einer Stunde hineingegan
gen.«
Angelo runzelte die Stirn. »Hendricks ist ein guter
Mann. Was ist passiert?«
»Sie haben ihn umgebracht. Und
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