Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
Anfang für das Ende
unseres Leides setzen. Ein Todtsteltzer würde uns
befreien. Das liegt nun schon lange zurück, und oft
dachten wir, Shub hätte uns nur Hoffnung machen
wollen, damit wir durchhielten … aber nun seid Ihr
hier. Sucht wie einst Owen nach der Fluchtburg Eurer Ahnen. Nach der alten Burg, in der Wunder geboren werden.«
Lewis sagte nichts. Er wollte die Monster nicht
enttäuschen. Er hegte das starke Gefühl, damit seine
Sicherheit zu gefährden.
Und endlich erreichten sie die Stadt, die sich die
Monster gebaut hatten. Lewis und seine Begleiter
rochen sie schon lange, ehe sie sie sahen, aber nicht
mal der entsetzliche Gestank bereitete sie auf die
grimmige Realität vor. Der Wald öffnete sich unvermittelt und gab den Blick frei auf eine riesige
Lichtung, die mit Hilfe groben Werkzeugs und roher
Gewalt aus dem Dschungel gehackt worden war.
Und diese Lichtung barg die Stadt. Lewis und seine
Begleiter blieben stehen und sahen sie ungläubig an,
als sie erkannten, woraus sie bestand. Brett gab würgende Laute von sich. Jesamine schüttelte langsam
den Kopf.
»Nein! Das ist einfach zu viel, Lewis. Ich kann das
nicht machen …«
»Du kannst es«, entgegnete Lewis entschieden.
»Wir können es alle. Beiß einfach die Zähne zusammen, Jes. Du bist stärker, als du denkst. Versuche
durch den Mund zu atmen; vielleicht hilft es. Und
Brett, beherrscht Euch! Wir möchten unsere Gastgeber wirklich nicht beleidigen.«
»Oh verdammt«, sagte Brett elend. »Seht Euch das
nur an …«
Die Stadt war ein Albtraum, eine Nekropole, eine
aus dem Tod geborene Siedlung, eine ausgedehnte
Anlage aus runden Behausungen und klobigen Türmen, vollständig aus Knochen und Fleisch und Sehnen errichtet. Die fleischigen Bauteile waren unbeholfen gepökelt worden, damit sie länger hielten,
aber trotzdem erblickte man überall Spuren langsamer Verwesung und ständiger Reparaturen. Tote
Monster von zig Metern Länge waren ausgenommen
und in Säle verwandelt worden, und die Türme waren Gitterwerke aus vergilbenden Knochen. Die ganze Stadt stank wie ein Leichenhaus nach Blut und
Tod und nur sehr kurzfristig hinausgezögerter Verwesung. Niemand, der normal und ganz bei Sinnen
gewesen wäre, hätte hier leben können – nur Monster
brachten das fertig. Die Stadt wirkte immer größer, je
näher ihr Lewis und seine Gefährten unsicheren
Schrittes kamen, eine Wohnstätte der Verdammten,
ein Konglomerat aus Rot und Purpur und eitrigem
Gelb.
»Wir hatten kein anderes Baumaterial zur Hand«,
erklärte der Albino. »Das Holz der Bäume ist zu
hart, um es zu bearbeiten, und alles Gestein liegt
hier zu tief in der Erde, um es mit grobem Werkzeug zu erreichen. Das Imperium hat uns nichts dagelassen. Also haben wir unsere Stadt aus den Überresten der Gefallenen errichtet. In zweihundert Jahren ist sie kräftig gewachsen. Natürlich ist nichts
von Bestand. Alles verwest letztlich und muss immer wieder ausgetauscht werden. Auf einem Planeten wie unserem herrscht jedoch nie Mangel an solchen Rohstoffen.«
Lewis war von den schieren Ausmaßen der Stadt
wie benommen, von den gewaltigen Türmen aus
Gebein und Eingeweiden und den langen flachen
Behausungen aus farblosem Fleisch, in dem immer
noch dunkle Adern die glänzenden Oberflächen maserten. Seine Vorstellungskraft scheiterte an der Frage, wie viele tote Körper beim Bau und bei der Instandhaltung über die langen Jahre verwendet worden sein mussten. Jesamine klammerte sich fest an
seinen Arm, starrte stur geradeaus und murmelte eine
Litanei aus Gebeten und Kraftausdrücken vor sich
hin. Hinter sich hörte Lewis Brett wimmern. Der Albino durchquerte als Erster das Haupttor. Es bestand
aus dem aufgeblähten Schädel einer Kreatur von solcher Größe, dass Lewis lieber nicht darüber nachdachte. Dahinter breitete sich ein weitläufiger Platz
voller Monster aus, und als sie Lewis erblickten,
knieten sie nieder oder neigten die Häupter vor ihm.
Ein leises Brummen lief durch ihre Reihen. Prophezeiung, Prophezeiung …
»Schluss damit!«, rief Lewis scharf, und das Gebrumm brach sofort ab. Alle Arten von Augen musterten den Todtsteltzer, als er vor sie trat. Er holte tief
Luft und versuchte sich zu sagen, dass er das Richtige tat. »Seht mal, es wäre nicht fair, euch falsche
Hoffnungen zu machen. Ja, ich bin Lewis Todtsteltzer, aber ich bin nur hier, weil Johana Wahn mich
dazu aufforderte …«
»Ja!«, sagte der Albino. »Johana Wahn! Wir erinnern
Weitere Kostenlose Bücher