Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
Auge hatte
sie sich ein hellrotes Herz aufgetragen, und die Lippen wiesen eine dunkle Scharlachtönung auf, wie
man sie in der Natur nicht fand. Emma wäre sich in
ihrer schlichten Paragonmontur ziemlich fade vorgekommen, hätte sie jemals einen Gedanken auf solche
Dinge verschwendet.
»Warum hast du mich so nachdrücklich gerufen,
Nina?«, fragte Emma geduldig. »Hast du neue Informationen über die Paragonsituation gefunden?«
»Nein, eigentlich nicht, meine Liebe, aber ich
denke, wir sollten darüber reden, was wir mit unseren vorhandenen Kenntnissen anfangen. Besonders
da sie Du-weißt-schon-wen betreffen. Jemand muss
die Öffentlichkeit informieren, dass alle unsere Paragone besessen sind! Alle außer dir natürlich. Die
Menschen haben ein Recht, solche Dinge zu erfahren. Ganz besonders nach dem, was gerade auf
Shandrakor passiert ist. Du weißt doch, was gerade
auf Shandrakor passiert ist, nicht wahr, Darling?«
»Ja«, sagte Emma. »Ich habe meine Quellen.
Dreizehn meiner Brüder sind tot. Ich beklage ihren
Verlust. Sie werden gerächt werden.«
»Aber sie sind doch inzwischen die Bösen, nicht
wahr? Ich meine, jeder Einzelne von ihnen würde
uns umbringen, falls er wusste, was wir über sie wissen.«
»Die Paragone waren niemals der Feind!«, erwiderte Emma scharf. »Sie stecken hilflos im Griff von
Geistern, die sie beherrschen. Und jetzt kann ich
dreizehn Paragone nicht mehr retten.«
»Oh ja, natürlich. Verzeihung, Liebes.« Nina wirkte einen Augenblick lang schrecklich zerknirscht,
aber ihre angeborene Überschwänglichkeit setzte
sich alsbald wieder durch. »Aber umso dringender ist
doch, dass wir etwas unternehmen! Solange wir noch
können!«
»Ich habe schon darüber nachgedacht«, sagte
Emma. »Falls alles andere scheitert, dann sollte ich
wohl Finn Durandal umbringen, denke ich. Er steckt
hinter allem Üblen, was heutzutage geschieht. Man
schlage der Schlange den Kopf ab, und der Rumpf
wird verdorren und sterben.«
»Naja, zehn von zehn möglichen Punkten für
Draufgängertum, Liebste, aber gehen wir doch mal
ernst an die Sache heran – du würdest nie in seine
Nähe kommen. Er ist heute ständig von Schlägern
der Militanten Kirche und der Reinen Menschheit
umgeben, und solltest du auch durch ein Wunder an
ihn herankommen, würdest du nie wieder lebend
hervorkommen.«
»Also?«, fragte Emma ganz gelassen.
»Okay … Nun, Liebes, ich denke, die selbstmörderischen Verzweiflungsangriffe sparen wir uns auf,
bis wir alles andere ausprobiert haben, auch die Augen schließen und hoffen, alles würde vorbeigehen.
Wir können uns nicht erlauben, unser Leben aufs
Spiel zu setzen, Emma, wirklich nicht! Nicht solange
wir die Einzigen sind, die wissen, was tatsächlich
geschieht.«
Blendend helles Licht erstrahlte mitten im Zimmer, und sowohl Emma als auch Nina schrien erschrocken auf und schützten die Augen, indem sie
die Arme hochrissen. Das Licht schien sich vor ihnen
zu verfestigen, und der überwältigende Eindruck einer Präsenz machte sich bemerkbar und schien von
irgendwo her, aus großer Ferne in die Wirklichkeit
hineinzusinken. Das Licht verblasste zu nur noch
schmerzhafter Intensität, aber das Gefühl von Präsenz war stärker denn je. Emma stand vom Sessel
auf, die Pistole in der Hand, während Nina blind zu
den Waffen an der Wand hinübertaumelte. Beide hatten den gleichen Gedanken: Die Überesper haben
uns gefunden … Aber als das Licht plötzlich verschwand, ließ es nur eine kleine blonde Frau in altmodischer Kleidung zurück, die ein raues Gesicht
und einen beunruhigenden Blick zeigte. Sie nickte
Emma und Nina lässig zu, obwohl einen ihr Lächeln
schon etwas nervös machen konnte.
Nina drückte sich eine Pistole an die Brust, als
suchte sie daran Trost. »Mein Gott!«, flüsterte; sie.
»Ich kenne Euch! Ich kenne Euer Gesicht aus alten
Holodateien. Ihr seid Johana Wahn!«
»Ich ziehe den Namen Diana Vertue vor«, sagte
die Neue und lächelte nach wie vor. »Der andere
Name mag der sein, an den sich die meisten Leute
erinnern, aber ich war immer so viel mehr als nur
Johana Wahn.«
»Solltet Ihr nicht tot sein?«, fragte Emma, ohne
die Pistole zu senken, mit der sie auf die Neue zielte.
»Nur stofflich gesehen«, antwortete Diana. »Ich
dachte auch, dass ich die Welt hinter mir gelassen
hätte, aber wie es scheint, muss ich mich immer noch
um unerledigte Aufgaben kümmern.«
»Wieder eine Exklusivstory!« Nina sprang an Ort
und Stelle auf und
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