Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
nicht behaupten,
dass es mich fürchterlich erschrocken hat. Sie war
immer zu laut und zu aufdringlich – und offen gesagt, hat sie mir eine Heidenangst eingejagt. Aber
trotzdem war das ziemlich überzogen. Was ist los,
Douglas? Kannst du denn mit keiner Frau etwas anfangen, die wir für dich aussuchen?«
»Was möchtest du, James?«
»Ich möchte, dass du dich benimmst, Douglas. Ich
möchte, dass du ein guter kleiner Junge bist. So sehr
ich mich freue, dich ein für alle Mal aus dem Blickfeld und der Gunst der Öffentlichkeit verbannt zu
sehen, zeichnet sich dein anhaltend schlechtes Benehmen durch die üble Angewohnheit aus, auf mich
abzufärben. Und das kann ich nicht dulden. Ich werde König sein, Douglas, und ich lasse es mir von dir
nicht vermasseln. Solltest du noch mehr tun, was
mich in Verlegenheit bringt, zum Beispiel dich vor
Gericht als nicht schuldig zu bezeichnen, sorge ich
persönlich dafür, dass Menschen dafür leiden, aus
denen du dir etwas machst. Dein Vater William steht
nach wie vor in Haus Feldglöck unter Arrest. Er steht
somit zur Verfügung, um für deinen Ungehorsam zu
bezahlen.«
»›Dein Vater‹«, zitierte Douglas. »Interessant! Du
hast nicht ›unser Vater‹ gesagt. Nur ein weiterer
Hinweis darauf, dass du nicht mein Bruder bist. Und
dieser erbärmliche Versuch, mich zu erpressen und
einzuschüchtern, bestätigt es nur. Der echte James
hatte viel zu viel Stil und zu viel Selbstachtung, um
sich zu einer solchen Taktik zu erniedrigen. Also wer
bist du? Irgendein Schauspieler, den Finn angeworben und für diese Rolle geschult hat? Ich denke allerdings, dass es darauf gar nicht ankommt. Ich habe
die Nase voll von dir, James. Oder wer immer du
zum Teufel tatsächlich bist.«
Er sprang unmöglich schnell vom Boden hoch und
erwischte James auf dem falschen Fuß, und er versetzte ihm mit professioneller Kunstfertigkeit und
persönlicher Gehässigkeit einen einzelnen Hieb, der
James die Besinnung raubte, ehe er überhaupt bemerkte, was geschah. Douglas fing James auf, ehe
dieser zu Boden fiel, und stand einen Augenblick
lang reglos da und lauschte. Aber entweder hatten
die Wachen nichts gehört, oder James hatte sie bestochen, damit sie verdächtige Laute von Gewaltanwendung überhörten. Douglas lächelte kurz und
senkte James vorsichtig auf den Steinfußboden.
Dann zog er ihn aus und tauschte mit ihm die Kleidung. Wenn er die Kapuze des Umhangs nur tief genug ins Gesicht zog, müsste er seinem angeblichen
Bruder ausreichend ähnlich sehen. Er lehnte James
an die Wand, das Gesicht von der Tür abgewandt.
Ausreichend, um jemanden zu täuschen, der nur kurz
hereinblickte.
Douglas holte ein paar Mal tief Luft, um sich zu
beruhigen, und klopfte dann gebieterisch an die Tür.
Sie wurde sofort geöffnet, und er rauschte hinaus,
den Kopf gesenkt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Er knurrte den Wachen etwas zu und ging einfach weiter. Sein Rücken spannte sich, und die Muskeln kribbelten in Erwartung eines Rufes oder Schlages, aber er hörte nichts weiter als das Schloss, das
sich in der Tür drehte. Douglas gestattete sich ein
Lächeln. Er hatte darauf gewartet, dass jemand einen
Fehler machte, und gewusst, dass sein Augenblick
gekommen war, als James geprahlt hatte, wie er die
Überwachungskamera in der Zelle abgeschaltet hatte.
Die Nacht der Amateure …
Er zog James’ Kapuze noch ein wenig tiefer und
marschierte rasch durch die Palastflure, und er tat
sein Bestes, um mit der Körpersprache so etwas auszustrahlen wie haltet euch fern und sprecht mich
nicht an. Es schien zu funktionieren. Leute verneigten sich vor ihm oder knicksten, und niemand sprach
ihn an. Von der Statur her ähnelten er und James sich
sehr, und alle Welt reagierte einfach auf die vertraute
Kleidung und Haltung, nicht auf den Mann dahinter.
Douglas konnte so ungehindert den Palast durchqueren und den Privatlandeplatz hinter dem Gebäude
erreichen. Er entschied sich für das schnellste Ausflugsfahrzeug dort, öffnete die Schlösser mit seiner
Stimmschaltung (anscheinend war Finn nicht dazu
gekommen, diese zu löschen – sehr lax von ihm) und
startete, ohne sich die Mühe zu machen und einen
Flugplan einzureichen. Niemand meldete sich bei
ihm. Königlicher Status brachte Privilegien mit sich.
Er trieb die Maschinen bis an die Grenze. Er musste so viel Distanz zwischen sich und Finn bringen
wie nur möglich. Er wusste genau, wohin er sich zu
wenden hatte, hatte er
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