Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
wäre eher gestorben, als Familiengeheimnisse
zu verraten.
Endlich erreichte Douglas das Ende des Tunnels,
wo dieser sich scharf nach oben bog und durch eine
schlichte Falltür in einen Kellerraum von Haus Feldglöck führte. Die ganze Anlage war ein Relikt aus
der schlechten alten Zeit, die Zeit der blutigen Familienfehden, als man nie gewusst hatte, wann man
womöglich eilig aufbrechen musste. Niemand hatte
seit Jahrhunderten diese Falltür benutzt, aber sie öffnete sich doch unter Douglas’ Hand mühelos. Er
stemmte sich in den Keller hinauf und blickte sich
schnell um. Er war allein an der Rückseite des alten
Weinkellers, umgeben von Regalen voller alter Jahrgänge in ihren verstaubten Flaschen. Auch hier war
automatisch das Licht angesprungen, als die Sensoren die Anwesenheit eines Feldglöcks feststellten.
Douglas tappte leise durch den Keller und nahm finster die Spuren neuerer Schäden in Augenschein.
Überall lagen zerbrochene Flaschen herum, und verschütteter Wein bedeckte die Bodenfliesen; kostbare
Jahrgänge waren nur aus Jux verschüttet worden.
Douglas erreichte die obere Kellertür, lauschte
kurz und öffnete sie vorsichtig. Er blickte forschend
hinaus, entdeckte aber niemanden. Vermutlich waren
Finns Leute damit beschäftigt, die offenkundigeren
Zugänge zu Haus Feldglöck zu bewachen. Douglas
schloss die Tür leise hinter sich und machte sich auf
den Weg durch vertraute Säle und Flure. Überall
herrschte Chaos: zerschlagene Möbel, zerschnittene
Porträts an den Wänden, begleitet von grobschlächtigen Graffiti. Speisereste und Getränke und auch Urin
waren in die Teppiche getrampelt worden, und überall lagen die Überreste kostbarer Erbstücke herum –
nur deshalb zerstört, weil es möglich war.
Wachleute, die ihr Gebiet markierten. Douglas
schäumte lautlos vor Wut. Eine weitere Rechnung,
die er mit Finn und seinen Leuten zu begleichen hatte.
Er trieb wie ein lautloser Geist durch das alte Haus
und wich mühelos den wenigen Wachleuten aus, die
sich blicken ließen. Sie erweckten nicht den Eindruck, als rechneten sie mit Schwierigkeiten. Douglas fand seinen Vater schließlich in einer Kammer,
die zuvor ein ausgedienter Lagerraum gewesen war.
Beinahe hätte er sie übersehen, aber eine Tür machte
ihn argwöhnisch, die abgeschlossen war, ohne dass
ein erkennbarer Grund dafür vorlag. Douglas öffnete
sie mit dem alten Paragon-Dietrich und erblickte seinen Vater William auf einer unbezogenen Matratze
auf dem Fußboden. Williams Kleidung war zerschlissen, das Gesicht ausgezehrt und unnatürlich
bleich, und er rührte sich nicht. Er trug weder Handschellen noch Ketten, und Douglas’ Herz schlug
schmerzhaft schnell, als er einen Augenblick lang
glaubte, dass sein Vater tot war. Dann sah er jedoch,
dass sich Williams Brust ganz leicht bewegte, und er
lief zu ihm und kniete sich neben ihn. Aus der Nähe
entdeckte er blaue Flecken und getrocknetes Blut im
Gesicht des alten Mannes. Douglas fluchte unterdrückt, während er am Hals des Vaters nach dem
Puls tastete; dieser war spürbar, aber nur noch ansatzweise. Ein Pillenfläschchen auf einem Tablett
neben der Matratze lieferte die Erklärung für Williams Verfassung. Man hatte den alten König bis unter
die Schädeldecke mit Medikamenten abgefüllt, damit
er keine Schwierigkeiten machte.
Douglas schüttelte ihn kräftig an den Schultern
und rief ihn so laut beim Namen, wie er nur irgend
wagte. Keine Reaktion. Douglas versuchte es erneut.
Er hätte damit rechnen sollen. Er hätte … irgendetwas mitbringen sollen, womit er helfen konnte. Williams Augenlider flatterten nun, öffneten sich langsam, und der Blick richtete sich auf Douglas. Der
alte Mann lächelte matt und versuchte die Hand zu
heben, schaffte es aber nicht. Douglas packte die
welke Hand fest mit beiden Händen.
»Halte durch, Vater. Ich bringe dich hier raus.«
»Hast aber lange gebraucht, Junge.« Williams
Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Das Essen
hier ist furchtbar. Und der Service geradezu bodenlos
schlecht.«
»Yeah, nun, ich war beschäftigt. Komm, Zeit zu
gehen. Wir sollten uns aber bemühen, nicht aufzufallen; ich habe kein Geld dabei, und somit ist keinerlei
Trinkgeld drin.«
Er zerrte William mit purer Kraft auf die Beine.
Der alte Mann wog kaum noch etwas. Halb führte
und halb trug Douglas seinen Vater zur Tür, warf
einen Blick nach draußen und machte sich auf den
Rückweg durch das Haus zur Falltür im
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