Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
ihn verhängen, damit niemand sonst ihn
mehr betrat.
Wissen war Macht.
Und was die Reine Menschheit anging: Gott allein
wusste, wie diese irren Bastarde reagierten. Konnte
jemand noch als »Rein« gelten, der das Labyrinth
durchschritten hatte und davon verändert worden
war? Finn wäre nicht überrascht, wenn sie versuchten, ihre Materiewandlermaschinen gegen Haden
einzusetzen. Also, rein und wieder raus und dann
gleich eine Quarantäne.
Finn schritt ungeduldig in seiner Kabine auf und
ab, während ihn das schnellste Schiff der Imperialen
Flotte nach Haden brachte, diese alte und tückische
Welt der Verwandlung und dunklen Wunder – und
der anscheinend noch mehr Geheimnisse, als bislang
geahnt. Er ging immer wieder die wenigen vorliegenden Informationen durch. Zwölf Überlebende unter zehntausend. Alle sehr mächtig und alle komplett
wahnsinnig. Nach zweihundert Jahren Gefangenschaft immer noch am Leben und in ausgezeichneter
Verfassung. Finn schuldete seinen Wissensvorsprung
den Robotern von Shub, die sich bei ihm für den Zugang revanchierten, den er ihnen zum Labyrinth des
Wahnsinns verschafft hatte. Menschliche Wissenschaftler hatten beschlossen, die Überlebenden geheim zu halten, aber die KIs von Shub glaubten nicht
ans Verstecken von Daten.
Wie es schien, demonstrierten die Überlebenden
Kräfte und Fähigkeiten, weit über das hinaus, was
die Esper des Imperiums von sich behaupten konnten, und das damalige Königspaar Robert und Konstanze hatte die Wissenschaftler uneingeschränkt unterstützt, als sie ihnen die Informationen vorlegten.
Es wollte nicht, dass die Überlebenden von Terroristen als Waffen missbraucht wurden oder jenen Leuten falsche Hoffnung gaben, die immer noch lärmend
forderten, dass man ihnen Zutritt zum Labyrinth gewährte. Zwölf verrückte Überesper reichten. Besonders, da sie alle entschieden … alarmierend wirkten.
Finn fuhr nicht allein. Er hatte eine seiner Kreaturen aus dem Slum mitgenommen, einen gewissen Dr.
Glücklich. Da der gute Doktor jedoch auf seine eigene Art verdammt alarmierend wirkte, bestand Finn
meist darauf, dass er in seiner Kabine blieb – und sei
es auch nur, um die übrige Besatzung nicht zu erschrecken. Dr. Glücklich handelte in Drogen und
Trünken, war ebenso Alchemist wie Wissenschaftler
und hatte Bewusstseinsveränderung zu einer Kunstform erhoben. Von Liebestrünken über Kampfdrogen, Weck- und Beruhigungspillen bis zum gelegentlichen Seitentrip – Dr. Glücklich hatte mehr Möglichkeiten, an einem Gehirn herumzumurksen, als ein
Metzger mit einem neuen Hackbeil und einem richtig
üblen Sinn für Humor. Der gute Doktor konnte jeden
in jede gewünschte Stimmungslage bringen, darunter
auch einige, die man bislang als rein theoretische
Größen betrachtet hatte, ehe er kam. Dr. Glücklich
brachte Menschen dazu, in Farben zu singen, aus
Blitzen Zöpfe zu flechten oder in Zungen mit anderen Menschen zu sprechen, die sich nicht mal in derselben Zeitzone aufhielten. Natürlich für den richtigen Preis.
Er selbst war unnatürlich groß und ungesund dünn
und zeigte sich niemals ohne einen seiner sehr fleckigen weißen Laborkittel. Er hatte ständig Schutzhandschuhe an und ließ die Finger von der eigenen
Brühe. Wahrscheinlich brauchte er sie gar nicht; er
war schon überdreht zur Welt gekommen. Er hatte
ein langes dünnes Gesicht mit einem breiten, zähnefletschenden Grinsen, hervorquellenden Augen und
einem Schopf aus weißen Kraushaaren, die sich zu
einer Art Heiligenschein um seinen Kopf sträubten.
Die Haare sahen ständig so aus, als zupfte er viel an
ihnen, und die Augen wechselten je nach Stimmung
die Farbe. Er kicherte mehr, als gesellschaftlich hinnehmbar war, huschte aufgekratzt herum und biss
sich, wenn er mal richtig aufgeregt war, wütend auf
die Fingernägel. Die Augäpfel waren uringelb, und
die Zähne sahen nicht viel besser aus. Er roch irgendwie antiseptisch.
Finn wurde von der Hoffnung bewegt, dass der
gute Doktor irgendeine extreme neue Droge mixte,
mit deren Hilfe die zwölf Überlebenden beruhigt
und/oder gesteuert werden konnten – oder, wenn das
nicht gelang, wenigstens die menschlichen Wissenschaftler, die mit ihnen arbeiteten. Finn hegte sehr
nachdrücklich den Wunsch, keine weiteren Überraschungen von Haden zu erleben. Das Bündnis mit
den Robotern von Shub verlieh ihm ein gewisses
Maß an Kontrolle über die Lage, aber das reichte ihm
nicht. Er wollte den Deckel über Haden
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