Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
Niemand empfängt uns, niemand begleitet uns … Einfach alles könnte in diesem Dschungel auf uns lauern. Woher sollen wir wissen, dass Finn nicht vor
uns hier war, eine Absprache mit den Einheimischen
getroffen und eine Falle für uns angelegt hat?«
»Oz hätte etwas entdeckt«, behauptete Lewis und
bemühte sich sehr um einen zuversichtlichen Ton.
»Dieser Pornoschmugglerkahn verfügt über mehr als
erstklassige Sensoren. Ich wäre nicht hier gelandet,
sofern ich nicht … einigermaßen sicher gewesen wäre, dass wir die Ersten sind. Mach dir keine Sorgen,
Jes. Ich habe dir doch versprochen, dass ich dich vor
jeder Gefahr beschütze. Komme, was da wolle.«
Jesamine musste lächeln. »Mein Held! In Ordnung, die nächste beunruhigende Frage: Warum
muss die Missionsstadt so weit vom Raumhafen entfernt liegen? Abgesehen von der Tatsache, dass man
sich hier eindeutig nicht für Besucher erwärmt.«
»Sie möchten imperiale Technik nicht zu dicht an
sich heranlassen«, antwortete Lewis. »Die Leute hier
betrachten Technik als notwendiges Übel und verzichten darauf, so gut sie nur irgend können. Ich
vermute, dass sie nach wie vor Ressentiments hegen,
weil man ihre Ahnen einfach hier abgeladen und im
Stich gelassen hat. Hast du nichts von den Dateien
gelesen, die ich für dich auf die Seite gelegt habe?«
Jesamine lächelte. »Ich wurde abgelenkt, weißt du
noch?« Sie lachte, als er den Blick abwandte. »Gott,
Darling, für einen Todtsteltzer wirst du aber wirklich
schnell rot.«
Lewis ging voraus, als die Gruppe den dunkelroten
Dschungel betrat. Die riesigen Bäume trugen eine
dicke schwarze Rinde und schwere Purpurblätter mit
scharfen, gezackten Kanten. Überall leuchteten das
Laub und das immer wieder plötzlich auftauchende
Unterholz in allen Schattierungen von Rot, in grellen
organischen Tönungen, sodass man den Eindruck
gewann, durch einen lebenden Körper zu wandern.
Hellrosa Kletterranken und Efeumatten umwickelten
die schwarzen Baumstämme und bewegten sich
fortwährend langsam wie träumende Schlangen.
Blutrote Lianen und Hängeranken drehten sich und
schwangen hin und her, obwohl nicht die Spur einer
Brise die reglose Luft auflockerte. Sogar der Boden
war bedeckt mit pulsierenden Scharlachmoosen und
Mulch.
Und allerorten bewegte sich der Dschungel in allen seinen Bestandteilen, schäumte, wand und rührte
sich, wach und bewusst und von bedächtiger Aggressivität. Seit Jahrmillionen hatte auf Lachrymae
Christi nur pflanzliches Leben existiert, bis das Imperium hier auftauchte und eine Kolonie errichtete.
Eine Leprakolonie, um genau zu sein. Für die Leprakranken gab es weder Heilung noch Hoffnung, also
trieb man sie einfach zusammen und lud sie hier ab,
und niemand scherte sich einen Dreck darum, ob sie
überlebten. Lange Zeit tobte ein Krieg zwischen den
Leprakolonisten und dem erbarmungslosen Dschungel, bis Tobias Mond eintraf und eine telepathische
Verbindung zum Massenbewusstsein des Pflanzenlebens herstellte – dem Roten Hirn; auf diesem Weg
vermittelte er einen symbiotischen Frieden. Zumindest lautete so die Legende. Lewis glaubte nicht
mehr so stark an Legenden wie früher.
Aber der Frieden galt nur für die Städte und deren
nähere Umgebung. Draußen in der Wildnis blieben
die Pflanzen so hungrig und aggressiv wie eh und je.
Einige größere Gewächse näherten sich jetzt
schwankend und gierig den Eindringlingen, erpicht
auf eine Mahlzeit. Lewis zerschoss mehrere von ihnen, und Rose hackte etliche weitere in Fetzen; Brett
trampelte einen Busch zur Hölle, nur um seinen Beitrag zu leisten. Etliche kleine Brände brachen aus,
wurden jedoch von den Pflanzen der Umgebung
rasch erstickt. Danach ignorierten die größeren Gewächse die Gruppe, solange diese ihnen nicht zu nahe kam. Der Nieselregen hielt an, und heißer Dampf
stieg in die reglose Luft auf.
Lewis zog das Schwert und machte sich an die
mühsame und langwierige Arbeit, einen Weg durch
die widerstrebende Vegetationsmasse zu hacken. Das
Schwert versetzte dem Arm schmerzhafte Schläge,
wenn es an die schwereren Äste ging, und Ranken
klebten an der Klinge, bis er sie herunterriss. Er
machte einfach weiter, und der Arm stieg und fiel
mechanisch, während ihm der Schweiß vom Gesicht
tropfte. Die anderen hielten sich dicht hinter ihm,
während der Dschungel den Pfad hinter ihnen langsam wieder zuwuchs.
Die Luft war dick und schwer von zahlreichen
Düften, deren Gesamtwirkung wie ein
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