Gregor Bd. 5 - Gregor und das Schwert des Kriegers
Fingernagel kurz über die Wand. »Zwischen zwei Buchstaben ist eine kurze Pause, zwischen zwei Wörtern eine längere. Ich kann es nicht so schnell vormachen, wie es sein müsste. Du, Temp?«
»Hört sich so an, so«, sagte Temp. Er setzte einen Fuß auf und klopfte, tickte und kratzte drauflos, viel zu schnell für Gregors Ohren. Vor allem das Klopfen und Ticken. Als sein Vater ihnen damals das Morsealphabet auf dem Computer vorgeführt hatte, hatte Gregor auch nichts verstanden, selbst wenn er es ganz langsam vorgeführt bekam.
»An strategischen Punkten haben wir Spione aufgestellt, sie zeichnen die Botschaften auf. Das Abhören ist leicht, denn die Ratten geben sich keine Mühe, die codierten Botschaften zu verbergen. Dann werden sie von Menschen aufgeschrieben und ins Codezimmer geflogen«, sagte Luxa.
Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Hahnenfüße in Buchstaben zu transkribieren – wahrscheinlich konnten die Code-Tüftler sie sowieso mühelos lesen –, deshalb zeichnete Luxa schnell den Übertragungsbaum auf. Auch wenn ihr der Unterricht damals keinen Spaß gemacht hatte, so musste sie noch nicht mal in den Hauptraum gehen, um den Baum abzumalen. Sie konnte ihn auswendig.
»Die alte Maus war aber eine gute Lehrerin«, sagte Gregor.
»Mag sein«, sagte Luxa. »An den Baum kann ich mich gut erinnern. Er ist so aufgebaut, dass jene Buchstaben, die man am häufigsten benutzt, mit kürzeren Zeichen dargestellt werden. Die Buchstaben E, A und I benötigen beispielsweise nur einen Laut, T und R benötigen zwei. Hier, das kann man am besten im Diagramm sehen.« Sie zeichnete eine Tabelle, wie sie auch im Hauptraum eingeritzt war.
»In dieser Hinsicht ist das System natürlich nicht vollkommen. So braucht das N drei Laute, obgleich es viel häufiger vorkommt als das Q, das nur zwei benötigt. Doch man musste etwas finden, das gleichzeitig schnell und einprägsam war, und der Baum war der beste Kompromiss«, sagte Luxa. »Sollen wir anfangen?«
Diesmal hatte Boots Spaß an der Sache, es gefiel ihr herauszufinden, welche Strichkombinationen welche Buchstaben im Alphabet darstellten.
»Gut, Boots, jetzt gerade-gerade-gerade-links«, sagte Gregor und zeigte auf die Strichkombination.
Boots fuhr mit ihren kleinen Knubbelfingern den Baum entlang. »Gerade … gerade … gerade … links … gleich X. Ein X, Gre-go!«
»Gut gemacht!«, sagte Gregor und schrieb mit einem von Lizzies Stiften ein X über das entsprechende Zeichen. So machten sie weiter, transkribierten leise murmelnd Buchstaben für Buchstaben, etwa eine Stunde lang. Danach konnte Gregor den Baum selbst fast auswendig. Jedenfalls beherrschte er ihn so weit, dass er Luxa einen Zettel schreiben konnte.
Sie lachte, knüllte den Stoffstreifen zusammen und warf ihn zu Gregor zurück. Doch als sie weitermachten, fragte er sich, ob es nicht ein Fehler gewesen war. Erst hatte sie es lustig gefunden,aber jetzt sah sie irgendwie traurig aus. Erstens war es Henrys Witz gewesen. Es hingen also viele Erinnerungen daran. Und zweitens waren im Moment Anspielungen aufs Sterben nicht gerade angesagt. Bis Gregor hereingekommen war, hatten alle gedacht, der Fluch hätte ihn getötet. Gregor hätte die Botschaft gern wieder zurückgenommen, aber das ging nicht.
Boots verlor das Interesse an dem Baum, also machten sie andere Spiele mit den Buchstaben auf den Streifen; sie versuchten Wörter zu finden, lasen sie rückwärts, entwickelten ihre eigenen Strategien, um den Code zu knacken. Luxa und Temp übernahmen immer mehr den Unterricht, während Gregor eigentlich nur zuschaute. Sein Gehirn konnte jetzt nur einfache, direkte Gedanken bewältigen. Er wollte schlafen. Er wollte mehr Schmerzmittel. Er wollte nach Hause. Er wollte nach Hause. Er wollte nach Hause. Als Ripred alle zu einer kurzen Pause zusammenrief, war Gregor wie in Trance. Ihm war nicht danach, mit den anderen Tee zu trinken und Kuchen zu essen, aber er fürchtete, dass Lizzie sich aufregen würde, wenn er es nicht tat, also raffte er sich auf.
Die Code-Mannschaft war zu niedergeschlagen zum Plaudern. Sie aßen schweigend, gelegentlich zuckte jemand oder murmelte etwas Unverständliches.
Hazard kam betrübt herein und setzte sich neben Luxa, er lehnte den Kopf an ihre Schulter. »Was ist los?«, fragte sie.
»Sie erlauben mir nicht mehr, die Huscherfamilien zusammenzuführen. Sie sagen, es ist zu gefährlich. Die Huscher sollen jetzt alle in den Palast gebracht werden«, sagte
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