Gregor Bd. 5 - Gregor und das Schwert des Kriegers
den Tausenden Fackeln, die normalerweise leuchteten, brannte nur noch eine Handvoll. Kurz nach seiner Ankunft im Unterland hatte Gregor Vikus einmal gefragt, warum die Menschen die Stadt nicht verdunkelten, wenn sie angegriffen wurden. »Wir brauchen unsere Augen zum Kämpfen, sie nicht«, hatte Vikus geantwortet. Wie sollten die Menschen jetzt kämpfen?
Schweigend sahen sie zu, wie die verbliebenen Lichter einesnach dem anderen ausgingen. Wie eine Sternschnuppe fiel die letzte Fackel von der Spitze eines hohen Gebäudes, bevor sie am Boden verlosch.
In dem Moment, als die Stadt in völliger Dunkelheit versank, begann das Kratzen.
18. Kapitel
E s fing ganz harmlos an, das Kratzen einer Kralle an einem Stein. Dann kamen eine zweite und eine dritte Kralle dazu, bis das Kratzen durch ganz Regalia hallte und alles andere übertönte.
»Das hab ich schon mal gehört.« Gregor musste laut sprechen, damit Howard ihn verstand. »Jedenfalls etwas ganz Ähnliches.«
»Im Unterland?«, fragte Howard.
»Nein, in unserer Wohnung zu Hause. Da hatte Ripred ganz viele Ratten, die kleinen, zu uns hochgeschickt und sie haben an den Wänden gekratzt. Sie sollten uns Angst einjagen, damit wir zu der Pestkonferenz kommen«, sagte Gregor.
»Hattet ihr Angst?«, fragte Howard.
Gregor erinnerte sich daran, wie sie aus der Wohnung geflüchtet waren, um den Krallen zu entkommen, ehe sie den Putz durchbrachen. »Und wie!«
»Dann brauche ich mich nicht ganz so zu schämen, wenn ich zugebe, dass es auch mir Angst macht«, sagte Howard. »Es wirktnur in unserer Vorstellung. Die Ratten können unmöglich in den Palast eindringen.«
»Tja, aber es funktioniert«, sagte Gregor. Er musste dem unheimlichen Geräusch entkommen, bevor er die Nerven verlor. »Kannst du mich ins Codezimmer bringen? Da könnte ich mich hinlegen.«
Jetzt, da seine Rippen wieder an ihrem Platz waren, konnte er einigermaßen laufen. »Aber nimmt dich noch in Acht, wenn du dich bewegst«, sagte Howard. »Die Rippen können sich wieder verschieben. Sollte das passieren und ich bin nicht dabei, weißt du ja, wie du dir helfen kannst. Hier, nimm dieses Riechsalz mit.« Howard drückte ihm ein kleines Behältnis von der Größe einer Streichholzschachtel in die Hand.
Na super, dachte Gregor. Ich soll nicht nur atmen, bis ich ohnmächtig werde, ich soll mich auch noch selbst wieder zurückholen. Aber als er all die Toten und Verletzten in der Hohen Halle sah, kam er sich ein bisschen wehleidig vor. Der Boden klebte von Blut. Viele der Verwundeten waren noch nicht versorgt. »Bleib du hier, Howard. Ich schaffe es allein ins Codezimmer«, sagte er.
»Ich komme nachher vorbei und sehe nach dir«, sagte Howard.
»Nur wenn du Zeit hast. Mir geht es echt gut«, sagte Gregor. Langsam zwängte er sich durch die überfüllten Flure bis ins Codezimmer. »Entschuldigung. Entschuldigung. Darf ich mal bitte durch?«
Als die Leute sahen, wer da sprach, machten sie ihm Platz. Viele Unterländer wollten ihn anfassen, einige lächelten. Manche waren verwundert, ihn überhaupt zu sehen. »Du lebst!«, rief ein alter Mann. »Wir hörten, der Fluch habe dich getötet!« Gregor machte sich Sorgen, dass womöglich auch seine Schwestern solche Gerüchte zu hören bekommen hatten, und beeilte sich.
Als er in das Codezimmer kam, weinte Lizzie an Ripreds Schulter, während alle anderen in ihren Kammern hockten. Boots streichelte Lizzie übers Haar, aber sie sah aus, als würde sie selbst jeden Moment losheulen. Es war wie die Generalprobe für seinen wirklichen Tod. Gregor hätte es lieber nicht gesehen.
»Na, was hab ich euch gesagt. Er ist heil aus der Schlacht rausgekommen«, sagte Ripred und stupste Lizzie ans Kinn, damit sie den Kopf zu Gregor wandte. »Gesund und munter.«
»Gregor!«, rief Lizzie. »Ich dachte, du wärst tot!«
»Nein, nur ein bisschen zerbeult«, sagte Gregor und rieb sich über den Verband.
»Gre-go!« Boots rannte auf ihn zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm drei Küsse auf den Verband. »Besser?«, fragte sie.
»Viel besser. Danke, Boots«, sagte Gregor.
»Du hättest ja mal Bescheid sagen können, wo du steckst«, sagte Ripred vorwurfsvoll. »Nach deinem Rückzug haben wir deine Spur verloren. Das ist Stunden her.«
Gregor hatte das Gefühl, dass Ripred ihm am liebsten den Kopf abgebissen hätte und es nur deshalb nicht tat, weil er Lizzie nicht noch mehr aufregen wollte. »Meine Rippen waren eingedrückt. Ich war ziemlich außer
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