Gregor und der Fluch des Unterlandes
zusammengesetzt hatten, war er noch immer schockiert von dem, was er gesehen hatte. Gregor konnte sich kein Symbol im Überland vorstellen, das ihm solche Angst einjagen würde. Allerdings war Gregors Leben im Vergleich zu Hazards bisher auch ohne größere Gefahren verlaufen.
»Was ist denn eine Sense?«, fragte Gregor.
»Das ist ein Werkzeug, mit dem man Getreide erntet. Als wir heute über die Felder flogen, sahen wir Bauern mit Sensen«, sagte Howard.
Da erinnerte sich Gregor wieder an die Geräte, wie sie hin- und hergeschwenkt wurden. »Und wieso steht die Sense für den Tod?«
»Weil sie das Leben abschneidet. In alten Schriften ausdem Überland wird der Tod bisweilen als Figur mit schwarzem Umhang und Sense in der Hand dargestellt. Er schneidet den Menschen das Leben ab«, sagte Howard.
»Ja, stimmt. Da hab ich das Ding gesehen«, sagte Gregor.
Howard machte ein kleines Feuer, damit alles nicht mehr so düster wirkte. Doch die Schatten, die von den Flammen an die steinernen Wände geworfen wurden, ließen die geisterhafte, wie ausgestorbene Mäusekolonie nur umso gruseliger erscheinen.
Boots, die nicht richtig verstand, was vorging, pflanzte sich neben Hazard und tätschelte ihm das Bein. »Hazard weint. Hazard ist traurig«, sagte sie.
»Schon gut, Boots, alles in Ordnung«, sagte Gregor und nahm sie in die Arme.
»Nein, es ist nicht alles in Ordnung«, sagte Hazard. »Wir haben die Sense gesehen.«
»Aber wir leben noch«, sagte Luxa und strich ihm über die Locken.
»Ja, vielleicht war das Zeichen für jemand anders bestimmt«, sagte Howard.
»Oder es wurde während der Pest eingeritzt«, sagte Luxa. »Ehe das Heilmittel gefunden war, als alle Warmblüter zum Tode verurteilt schienen.«
Hazard dachte darüber nach. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Im Dschungel fürchten alle dieses Zeichen.«
»Hast du es jemals selbst gesehen? Im Dschungel, meine ich«, sagte Gregor.
»Einmal. Da war ein Insektenschwarm. Ihr Biss brachte einen schnellen Tod«, sagte Hazard.
»Aber du starbst nicht, Hazard«, sagte Howard aufmunternd. »Sonst wärest du jetzt nicht hier bei uns.«
»Meine Mutter starb«, sagte Hazard matt. »Frill entkam ihnen, doch meine Mutter wurde gebissen.«
Darauf wusste niemand etwas zu sagen. Niemand versuchte Hazard zu erzählen, sie seien in Sicherheit. Hinter jeder Ecke konnte wieder ein Schwarm stechender Insekten lauern. Noch eine Pest. Ein anderer Tod.
Irgendeine Maus hatte das Zeichen in die Wand geritzt. Cevian hatte das gleiche Zeichen am Queenshead hinterlassen. Warum? Welcher Gefahr waren sie ausgesetzt? Gregor glaubte nicht, dass es mit der Pest zu tun hatte. Oder mit den Schlangen.
»Hazard, als du im Dschungel gelebt hast, wie haben sich die Huscher da mit den Schlangen verstanden?«, fragte Gregor. »Mit den Schlangen, die so aussehen wie Lianen.«
»Du meinst die Schlängler?«, sagte Hazard. »Sie gingen sich aus dem Weg. Die Schlängler fressen die Jungen der Huscher, und die Huscher fressen die Eier der Schlängler.«
»Das ist wahr«, sagte Luxa. »Ich habe die Schlängler nie in der Nähe der Huscher gesehen. Ich glaube, keiner von beiden wollte sich der Gefahr aussetzen.«
»Dann glaubst du also, die Schlängler kamen erst, nachdem die Huscher fort waren?«, fragte Howard.
»Das hoffe ich«, sagte Luxa. »Und fürchte es gleichzeitig.Es würde bedeuten, dass nicht nur eine, sondern zwei Huscherkolonien einer unbekannten Bedrohung wegen ihr Zuhause verlassen haben.«
»Es hört sich so an, als hätten sie eine Menge Feinde«, sagte Gregor. »Die Spinner, die Hacker …«
»Das waren nur Revierkämpfe. Sobald die Huscher ihre Gebiete verlassen hatten, waren weder die Spinner noch die Hacker daran interessiert, sie zu verfolgen. Ich kann mir nur ein Tier vorstellen, das so etwas tun würde«, sagte Howard.
Niemand brauchte die Ratten zu erwähnen. Alle wussten, wer gemeint war.
Während des Fluges hatten sie sich aus den Picknickkörben bedient und vor allem das gegessen, was obenauf lag. Jetzt breitete Howard die Köstlichkeiten aus, die in der Küche vorbereitet worden waren. Würzige Fischsalate, viele verschiedene Käsesorten, eingelegte Gemüse, gebratenes Huhn, Rindfleischscheiben, gefüllte Eier, mehrere Brote und verschiedene Desserts. Es war eine beeindruckende Auswahl, aber niemand außer Boots hatte Appetit. Sie aß, bis ihr Bauch so prall war wie ein Fußball. »Guck mal!«, sagte sie zu Gregor und hob ihr T-Shirt hoch. Er pikste ihr in
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