Gregor und der Fluch des Unterlandes
Moment gegeben, in dem Howard so ausgesehen hatte, als ob er ihm glaubte.
»Im Überland ist ein Date keine große Sache«, sagte Gregor lahm. Für ihn wäre es das schon, aber er kannte Jungs in seinem Alter, die sich mit Mädchen verabredeten. Fürs Kino oder zum Pizzaessen. Und das war ja so etwas Ähnliches wie ein Picknick, nur dass es drinnen stattfand.
»Nun, hier wäre es eine sehr große Sache«, sagte Howard. »Vor allem mit meiner Cousine.«
»Hab schon verstanden«, sagte Gregor, der möglichst schnell das Thema wechseln wollte.
Als sie fast da waren, flogen Howard und Gregor voraus, um die Gegend zu sondieren. Am Anfang der Huscherkolonie gab es ein großes offenes Gebiet am Fluss. Links und rechts waren lauter Höhlen mit einem Geflecht schmaler Tunnel. Das Revier schien ideal für die Mäuse – der Fluss bot ihnen frisches Wasser und die Möglichkeit zum Fischen, und natürliche Nistplätze gab es auch.
Doch heute waren keine Mäuse da. Keine Antwort kam auf Luxas Gruß. Die Fledermäuse suchten mit Ultraschallortung nach Lebenszeichen, aber vergeblich. Sie landeten auf dem Strand, um sich die Gegend genauer anzusehen.
»Offiziell gehört das Gebiet zum Quell, doch mein Vater hat den Huschern erlaubt, es zu nutzen. Er hat schon immer Verständnis für ihre Notlage gehabt«, sagte Howard.
»Worin genau besteht ihre Notlage?«, fragte Gregor.
»Sie haben es sehr schwer, eine Heimat zu finden«, sagte Howard. »Sie wurden von den Hackern vertrieben, von den Spinnern und vor allem von den Nagern, die die Huscher besonders hassen, weil sie von jeher unsere Verbündeten sind. So sind sie in einzelnen Kolonien über das Unterland verteilt und versuchen, sich eine Existenz aufzubauen.«
»Dann ist es merkwürdig, dass sie von hier weggegangen sind«, sagte Gregor.
»Ganz genau«, sagte Howard. »Ich kann nicht glauben, dass sie freiwillig von hier verschwunden sind. Sie müssen wieder vertrieben worden sein.«
»Lasst uns in den Höhlen nachsehen«, sagte Luxa.
In den Höhlen sah es gespenstisch aus. Halb gegessene Mahlzeiten. Zerwühlte Nester. Kleine Steine, in einem Muster auf dem Fußboden angeordnet, offenbar ein Spiel. Es schien, als wäre die Kolonie noch eine Sekunde vor ihrem Auftauchen voller Leben gewesen und dann wären – zack! – alle spurlos verschwunden. Und kein Hinweis darauf, wohin die Huscher gegangen waren oder was sie zur Flucht getrieben hatte.
Bei der letzten Höhle verlor Luxa beinahe die Fassung. »Was mag ihnen nur zugestoßen sein? Ich kann mir einfach keinen Reim darauf machen!«
In diesem Moment stieß Hazard von der Rückseite der Höhle einen gellenden Schrei aus. Alle rannten zu ihm, weil sie dachten, er hätte sich verletzt, doch er war vor etwas zurückgeschreckt, was er an der Wand gesehen hatte. Als Luxa zu ihm kam, schlang er die Arme um sie und hielt sie fest.
»Hazard, was ist?«, sagte sie und tastete seinen Körper auf der Suche nach einer Wunde ab. »Bist du verletzt? Warum zitterst du?«
Hazard zeigte auf die Höhlenwand. Howard leuchtete mit der Fackel an die Wand, und im flackernden Licht sah Gregor ein Zeichen, das eilig hineingeritzt worden war. Das Zeichen kannte er. Ein Strich mit einem Bogen daran.
»Dasselbe haben Ares und ich unter Cevians Leiche gefunden. Wir dachten, sie wollte einen Buchstaben schreiben, ein F oder ein P oder so. Vielleicht den Anfangsbuchstaben eines Namens«, sagte Gregor.
»Nein, nein!«, sagte Hazard mit schriller Stimme. »Das ist eins der geheimen Zeichen.«
»Was ist das?«, fragte Gregor.
»Eine Geheimschrift. Alte Symbole, mit denen man seinen Verbündeten etwas mitteilen konnte, ohne dass der Feind es verstand«, sagte Howard.
»Aber Hazard, die geheimen Zeichen wurden seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt. Sie haben ihre Bedeutung verloren«, sagte Luxa.
»Nicht im Dschungel«, sagte Hazard. »Wir benutzen sie noch immer. Frill hat sie meinem Vater und mir beigebracht. Das ist die Sense.«
»Und bedeutet das etwas Schlechtes?«, fragte Gregor mit einer Kopfbewegung zu dem Zeichen.
»Es bedeutet Tod«, sagte Hazard und fing an zu weinen.
»Bedeutet es, dass jemand sterben wird?«, sagte Luxa und hielt ihn fest im Arm.
»Nicht nur irgendjemand«, sagte Hazard. »Wir! Es bedeutet, wir, die es sehen, werden sterben!«
Teil 2
DIE ZEICHEN
10. Kapitel
E s dauerte lange, bis Hazard sich von Luxa ein wenig beruhigen ließ. Selbst als sie die Höhle verlassen und sich am Ufer des Flusses
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