Gregor und der Schlüssel zur Macht
ihren Blick erwiderte, nickten sie ihm respektvoll zu. Einige verbeugten sich sogar. Sie kannten ihn, zumindest vom Hörensagen. Er war der Krieger, der die Stadt vorm Untergang gerettet hatte. Eine Weile sonnte er sich in der Aufmerksamkeit, bis ihm einfiel, dass die Leute in ihm wahrscheinlich auch denjenigen sahen, der die weiße Riesenratte jagen sollte. Er fragte sich, wie viele Soldaten sie ihm zur Seite stellen würden, um sie zu töten. Ein so großes, bösartiges Tier – dazu brauchte man womöglich eine ganze Armee!
Als er in der Arena ankam, sah er sofort, dass er zu spät war. Überall waren schon Gruppen von Unterländern, die sich auf dem moosbedeckten Boden dehnten und streckten. Das sah nicht viel anders aus als die Aufwärmübungen, die Gregor vom Lauftraining kannte. Als er sich suchend nach Luxa umschaute, rief jemand:
»Überländer! Du bist zurück!« Und ehe er sich’s versah, wurde er von einem Soldaten so fest umarmt, dass es ihm fast die Rippen zerquetschte. Es war Mareth, den Gregor besonders gern hatte.
»Hi, Mareth«, sagte er. »Wie geht’s?«
»Sehr gut, jetzt, da du hier bist. Komm mit, du machst die Grundübungen bei mir«, sagte Mareth und schickte Gregor zu einer Gruppe von Kindern seines Alters.
Als sie über das Feld liefen, kamen sie an mehreren Kindern vorbei, die mit Schwertern exerzierten. Keins von ihnen sah älter aus als sechs. Im Unterland konnte man offenbar gar nicht früh genug mit dem militärischen Training anfangen.
Gregor entdeckte Luxa und gesellte sich zu ihr. Sie konnten sich nur kurz zunicken, dann ging der Unterricht schon weiter.
Mareth ließ sie eine Reihe von Dehnübungen durchführen. Gregor war kein gelenkiger Typ, während Luxa sich verbiegen konnte wie eine Brezel.
Dann kam das übliche Aufbautraining: Liegestütze, Klappmesser und Kniebeugen. Zum Abschluss liefen sie einige Runden um die Arena. Gregor war ein begeisterter Läufer, sowohl Kurzstrecke als auch Langstrecke. Es machte ihn stolz, dass er als Einziger mit Mareth Schritt halten konnte. Mareth beglückwünschte ihn zu der Leistung.
Die Freude über das Lob verpuffte bald, als es ans Bodenturnen ging. Im Sportunterricht hatten sie auch regelmäßig Turnen, aber das ließ Gregor immer nur notgedrungen über sich ergehen, bis es endlich mit Basketball losging. Er war zu groß und schlaksig zum Turnen, und die meisten Übungen endeten damit, dass er flach auf den Rücken fiel. Genauso erging es ihm auch jetzt.
Luxa stand über ihm und verbiss sich das Lachen. »Wenn du eine Rolle machst, darfst du die Beine erst wieder strecken, wenn deine Füße den Boden berühren«, sagte sie und reichte ihm eine Hand.
»Jajaja«, sagte er und ließ sich von ihr hochziehen. Turner hatten immer tolle Tipps für den Kampf gegen die Schwerkraft parat.
Mareth ließ Luxa eine Übung vorführen, und schon produzierte sie eine Reihe erstaunlicher Drehungen und Überschläge und landete so lässig wieder auf den Füßen, wie es Gregor nach einem Sprung von der Bordsteinkante gelingen würde. Die anderen klatschten spontan Beifall, und Luxa lächelte ausnahmsweise einmal. Dann kam siewieder zu Gregor und widmete sich dem aussichtslosen Unterfangen, Gregor ein Rad beizubringen.
Sie erklärte ihm gerade zum achtzehnten Mal, wie es funktionierte – »Hand, Hand, Fuß, Fuß, nicht beide Hände und beide Füße«, als ihre Miene sich plötzlich verfinsterte.
Gregor folgte ihrem Blick zum Eingang der Arena, wo fünf Kinder zusammenstanden. Er hatte sie noch nie gesehen. »Wer ist das?«
»Meine Cousins und Cousinen. Offenbar sind sie soeben in Regalia angekommen«, sagte Luxa steif.
Gregor sah die Kinder überrascht an. »Ich dachte, du hättest nur Henry und, wie heißt sie noch, dieses nervöse Mädchen?«
»Nerissa«, sagte Luxa. »Ja, Nerissa und … Henry.« Den Namen brachte sie nur mit Mühe heraus. »Die Einzigen der königlichen Familie, das ist wahr. Unsere Väter waren Brüder, die Söhne des Königs.«
Die Jungen und Mädchen am Eingang entdeckten Luxa und kamen herüber. Mit unverhohlener Abneigung nickte sie ihnen zu. »Diese fünf sind meine Verwandten mütterlicherseits. Sie haben kein königliches Blut in den Adern, obwohl sie nichts lieber hätten als das.«
»Auf die scheinst du ja nicht so zu stehen«, sagte Gregor.
»Sie machen sich über Nerissa lustig. Über ihre Gabe und ihre Schwäche«, sagte Luxa. »Nein, wir … ich meine, ich mag sie nicht.«
Luxa und Henry waren so
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