Gregor und der Spiegel der Wahrheit
wieder zu sich kam, war er von Kopf bis Fuß mit weißem Verband umwickelt. Etwa zehn Sekunden lang fand er es ganz witzig, wie eine Mumie auszusehen. Dann wollte er alles abreißen. Als er an einem Verband am Handgelenk zu zerren begann, hielt ihn jemand zurück.
»Nein, Überländer, so wirst du die Wunden wieder öffnen«, sagte Mareth. Er saß auf einem Stuhl an Gregors Bett, die Krücke neben sich.
»Hallo, Mareth, wie geht’s?«, sagte Gregor.
»Ich kann nicht klagen. Und wie fühlst du dich?«, sagte Mareth.
Gregor drehte sich um. »Irgendwie wund. Wie lange hab ich geschlafen?«
»Etwa sechzehn Stunden. Sie weckten dich einmal, um dir das Pestmittel zu verabreichen, doch du kamst gar nicht richtig zu dir«, sagte Mareth.
»Das Pestmittel? Wozu sollte ich das brauchen?«, fragte Gregor.
»Jeder erhielt vorsorglich eine Dosis«, sagte Mareth. »Tausende und Abertausende davon lagerten in Neveeves Labor. Sie standen dort herum, während so viele leiden mussten.« Mareth schüttelte fassungslos den Kopf.
»Wahnsinn. Dann hatte ich also recht? Mit dem zerbrochenen Behälter?«, sagte Gregor.
»Ja. Neveeve hat es bestätigt. Als Ares in ihrem Labor war, um sich wegen der Stiche behandeln zu lassen, stieß er versehentlich mit einem Flügel an den Behälter. Er zerbrach, die infizierten Flöhe sprangen hinaus, und sowohl Ares als auch Neveeve wurden gebissen. Sie sagte, sie habe Ares nicht erzählen können, was geschehen war, doch sie wollte versuchen, ihm am nächsten Tag, wenn sie seine Wunden behandelte, das Gegenmittel zu verabreichen. Doch er tauchte nicht auf. Er war davongeflogen, um im Irrgarten nach Luxa und Aurora zu suchen. Und dabei steckte er, ohne es zu wissen, die Nager mit der Pest an«, sagte Mareth.
»Wo ist Neveeve?«, fragte Gregor.
»Sie ist nicht mehr. Sie wurde hingerichtet. Während du schliefst, wurde das Urteil verkündet. Sie wurde des Hochverrats für schuldig befunden. Es ging alles sehr schnell«, sagte Mareth.
»Du meinst … sie ist tot?« Gregor hätte gedacht, sie würden sie im Kerker einsperren, aber nicht, dass man sie umbringen würde. Was sollte das nützen?
»Ja. Es war das schlimmste aller Verbrechen«, sagte Mareth.
»War Luxa bei der Hinrichtung dabei?«, fragte Gregor. Er wusste, dass die Königin eine Hinrichtung stoppen konnte.
»Nein, auch sie schlief. Doch man hätte sie ohnehin von der Verhandlung ausgeschlossen. Neveeve hatte den Befehl erhalten, die Pest als Waffe herzustellen. Sie hat niemandem mitgeteilt, dass Ares durch ein Versehen infiziert wurde,diese Schuld liegt also einzig bei ihr. Doch es gab andere, die von der Pest wussten.« Mareth hatte Mühe, den nächsten Satz auszusprechen. »Zum Beispiel … Solovet. Und da sie eine enge Blutsverwandte Luxas ist, durfte die Königin nicht in den Prozess verwickelt werden.«
»Solovet hat den Befehl erteilt, die Pest herzustellen?«, fragte Gregor.
»Es scheint so; sie sitzt einem streng geheimen Waffenausschuss vor, der die Forschungen billigte«, sagte Mareth.
Gregor wurde elend, als er sich vorstellte, dass Solovet hinter der Pest steckte. Nicht nur, weil seine Familie und seine Freunde ihr zum Opfer gefallen waren. Die Waffe war zu grausam, um sie gegen irgendjemanden zu richten.
»Wird Solovet auch hingerichtet?«, fragte Gregor.
»Ich bezweifle, dass es so weit kommen wird. Doch sie und die anderen Mitglieder des Ausschusses werden unter Arrest gestellt und befragt«, sagte Mareth.
Da kam Gregor noch ein Gedanke. »Vikus hat doch nichts davon gewusst, oder?«
»Nein, er war immer strikt gegen solche Waffen, und deshalb … niemand nimmt es schwerer als er«, sagte Mareth.
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Gregor. Die Tatsache, dass seine Frau maßgeblich an einer solchen Katastrophe für die Warmblüter beteiligt war, musste niederschmetternd für ihn sein.
Ein Arzt kam vorbei, untersuchte Gregor und ließ ihm etwas zu essen bringen. Mareth blieb bei ihm und aß auchetwas. Es gab eine etwas fade Suppe mit Brot, aber Gregor schmeckte es trotzdem.
Das Essen gab ihm Energie, und er hatte plötzlich keine Ruhe mehr, im Bett zu bleiben. »Ist Luxa immer noch hier im Krankenhaus?« Bestimmt machten ihr die Neuigkeiten über Solovet auch zu schaffen.
»Sie hätte noch bleiben sollen, doch sie bestand darauf, zu gehen, um bei Hazard sein zu können«, sagte Mareth.
»Er ist ein netter Junge«, sagte Gregor.
»Das war sein Vater auch«, sagte Mareth traurig.
Da Gregor keine
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