Gregor und der Spiegel der Wahrheit
Krankenhaus«, sagte Luxa. »Sie sind beide verletzt. Tagt der Rat zu dieser Stunde?«
»Ja, Eure Hoheit. Sie haben sich eben erst versammelt«, sagte eine der Frauen. Dann legte sie schnell eine Hand auf den Mund, als müsste sie einen Gefühlsausbruch zurückhalten. »Oh, Luxa, Ihr seid zurück.«
»Es ist schön, dich zu sehen, Miranda«, sagte Luxa mit einem kleinen Lächeln. »Wir müssen uns eilen, Gregor.« Sie nahm Hazard bei der Hand und stürmte davon.
Gregor hob seine schläfrige kleine Schwester hoch, und dann folgte er zusammen mit Temp Luxa durch die Gänge zum Ratszimmer. Der gesamte Rat war dort versammelt, darunter Solovet und Vikus. Nerissa saß der Sitzung am Kopf des großen Steintisches vor. Doktor Neveeve hatte gerade das Wort ergriffen. Vor ihr stand ein großes quadratisches Gestell mit Hunderten von Reagenzgläsern, die mit einer orangefarbenen Flüssigkeit gefüllt waren.
Als die fünf hereinkamen, verstummte Neveeve mitten im Satz, und allen am Tisch stockte der Atem. Einige erhoben sich und kamen auf sie zu, aber Luxa hob die Hand.
»Bitte, ich komme in einer Angelegenheit von höchster Dringlichkeit, die wichtiger ist als mein persönliches Wohlergehen. Nehmt wieder Platz und hört mich an!«, rief sie. Verwirrt gingen alle wieder auf ihre Plätze. Mit Hazard immer noch an der Hand ging Luxa zu dem Tisch, stellte sich Neveeve gegenüber und sprach sie direkt an.
»Wir waren im Weingarten der Augen und haben den Sternschatten gefunden. Das gesamte Feld wurde von einem Ameisenheer vernichtet. Das Heilmittel ist verloren«, sagte Luxa. »Was sagen Sie dazu, Doktor Neveeve?«
»Das sind in der Tat tragische Neuigkeiten. Aber wir haben Tag und Nacht in den Laboren gearbeitet und versucht, ein eigenes Heilmittel herzustellen. Die Reagenzgläser, dieIhr hier vor mir seht, sind die Früchte unserer Arbeit«, sagte Neveeve mit einer Handbewegung.
Luxa schaute einen Augenblick auf die Reagenzgläser, dann holte sie tief Luft, bevor sie die nächste Frage stellte. »Und wurden sie an den Opfern der Pest bereits ausprobiert?«
»Die Patienten im Krankenhaus reagieren positiv. Sowohl die Mutter des Überländers als auch seine Fledermaus zeigen Besserung«, sagte Neveeve.
Gregor spürte, wie ihm vor Erleichterung die Knie weich wurden. »Oh!« Der Ausruf kam ganz automatisch. Sie lebten! Sie hatten durchgehalten!
Neveeve lächelte ihn an. »Ja, wir haben große Hoffnung, dass dieses Mittel wirkt.«
Um den Tisch herum erklang anerkennendes Gemurmel. Die Medizin half. Neveeve war eine Heldin.
Luxas Stimme durchschnitt die der anderen wie ein Messer. »Ich gehe davon aus, dass es hervorragend wirken wird. Ich nehme an, es wird die Pest heilen.«
»Ich hoffe, wir sind Eures Vertrauens würdig«, sagte Neveeve, doch sie sah Luxa mit nervösem Blick an.
»Ach, ich glaube, wir können beide zuversichtlich sein. Sie sehen jedenfalls recht gesund aus. Und wenn das Mittel bei Ihnen wirkt, warum dann nicht bei uns allen?«
Neveeve lief knallrot an. »Ich weiß nicht, worauf Ihr hinauswollt.«
»Ich will darauf hinaus, dass Sie die Pest in Ihrem Labor entwickelt haben. Das war die Wiege. Also verwundert es nicht, dass auch das Heilmittel von dort kam«, sagte Luxa.
Vom Tisch her kamen Ausrufe des Erstaunens und des Widerspruchs, doch Luxa ließ sich nicht beirren.
»Wollen Sie leugnen, Doktor Neveeve, dass Ares in Ihrem Labor infiziert wurde, während Sie dort Pestbakterien züchteten?«, fragte Luxa.
Jetzt wich die Farbe aus Neveeves Gesicht, sie wurde bleich wie ein Gespenst. »Ich … ich … wollte nicht …«
»Hat er sich in Ihrem Labor infiziert oder nicht?«, beharrte Luxa.
»Es gab einen Unfall … Niemand konnte etwas dafür …«, sagte Neveeve. »Er war wegen einer ganz anderen Sache gekommen …«
»Und Sie machten alle glauben, das Heilmittel befinde sich im Weingarten der Augen, obgleich Sie die ganze Zeit wussten, dass Sie es in den Händen hatten?«, fuhr Luxa fort.
»Das konnte ich nicht … offenbaren. Die Forschungen waren geheim und …«, sagte Neveeve.
»Um dieses Geheimnis zu bewahren, ließen Sie es zu, dass die Pest sich ausbreiten und töten konnte, und schickten eine ahnungslose Gruppe auf eine tödliche und ganz und gar sinnlose Reise. War es so?«, sagte Luxa.
Jetzt schaute Neveeve sich panisch im Raum um. »Ich sollte die Pest erforschen! Meine Aufgabe bestand darin, ein Gegenmittel zu finden, damit wir sie als Waffe einsetzenkonnten … Ich habe
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