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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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lief, Saddam Hussein habe die französische Botschaft in Kuwait besetzt, zuckte der DAX nur kurz zusammen und fiel sodann wieder zurück in die Gleichgültigkeit.
    Wir in Deutschland hatten schließlich andere Sorgen. Während die Welt entsetzt auf den Anstieg des Ölpreises auf fast 34 US-Dollar pro Barrel starrte und die Weltbank eine mögliche Marke von 65 US-Dollar an die Wand malte, diskutierten die Deutschen lustvoll die Forderung der SPD, die Besserverdienenden mit einem Steuerzuschlag von 9 Prozent zu belegen. Kurt Biedenkopf von der CDU forderte |69| eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, um den Aufbau im Osten finanzieren zu können. Das waren unsere Themen, und diese Diskussionen waren es, die den DAX in den Keller trieben. Die Konsumtitel wie Karstadt gingen über in den freien Fall, der DAX fiel auf 1 416, die durchschnittliche Umlaufrendite stieg auf 9,17 Prozent.
    Zwar war Deutschland durch die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten auch aus politischer und nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht berechtigt, ja sogar verpflichtet, eine größere Verantwortung in dieser Welt zu übernehmen, aber die Begeisterung über die neue Rollenverteilung auf der Weltbühne hielt sich bei uns in Grenzen. Sicher, ärmere Länder wie Jordanien oder die Türkei als direkte Nachbarn trugen wegen des Handelsembargos gegen den Irak ungleich höhere Lasten, aber das interessierte uns weniger. Pflichtgemäße Solidarität mit den unmittelbaren Opfern des Iraks wurde geräuschlos per Überweisung über die Brüsseler EG praktiziert. Vielleicht zu leise, wie wir an der Börse feststellten.
    Nicht ganz falsch, wie sich später herausstellen sollte, denn als es nach der Beendigung des Golfkonflikts galt, Kuwait für Milliarden von US-Dollar wieder aufzubauen, blieb von diesem Dollarregen für die deutsche Industrie nur wenig übrig. Den Löwenanteil sicherten sich amerikanische Firmen, zu Recht, wie Mitarbeiter amerikanischer Banken mir versicherten. Schließlich hätten die USA unter großen finanziellen Schwierigkeiten trotz eines steigenden Haushaltsdefizits die Reservisten einberufen und in Richtung Golf in Marsch gesetzt. Dass der tatsächliche Auftragseingang aus der Golfregion schließlich geringer ausfiel als erwartet, dass die Bundesregierung vielleicht mehr an Kosten übernahm, als sich rechtfertigen ließ, das wurde später, viel später, nur am Rande kurz diskutiert. Für die Börse war das dann schon längst kein Thema mehr.
     
    Doch im Herbst 1990 holte uns die Realität, die sich außerhalb unserer deutsch-deutschen Grenzen abspielte, immer wieder ein. Um die Zügel ein wenig anzuziehen, drohte Saddam Hussein Ende September mit der Zerstörung der kuwaitischen Ölfelder und Förderanlagen. Das waren auch für deutsche Ohren neue, alarmierende Töne. Sollte es etwa doch einen »richtigen« Krieg in der Golfregion |70| geben? Ließ sich der irakische Diktator durch das Handelsembargo nicht aufhalten in seinem Amoklauf?
    Der Ölpreis zog an auf über 40 US-Dollar pro Barrel und versetzte wieder einmal die Frankfurter Börse in Angst und Schrecken. Inzwischen war der DAX bei 1 320 und damit in ungeahnten Tiefen gelandet, der Nikkei-Index befand sich ebenfalls weiterhin auf Talfahrt, die amerikanische Regierung im heftigen Wahlkampfgeplänkel mit der demokratischen Opposition um das Haushaltsdefizit und der US-Dollar im Tief bei 1,52 D-Mark. Auf dem Parkett fegten die Pessimisten ihre Argumente zu einem riesigen Haufen zusammen, hinter dem auch die letzten Optimisten verschwanden.
    Plötzlich, Mitte Oktober, die Wende! Wirklich? Ja, Saddam Hussein sei bereit, Öl für 21 US-Dollar pro Barrel zu verkaufen, Bezahlung erst nach Ende der Golfkrise, so die Meldungen aus irakischen Quellen. Endlich würde der irakische Diktator doch einlenken, hieß es an der Börse. Prompt geriet der Rohölpreis ins Rutschen, gefolgt vom Goldpreis. Die Golfkrise wurde von einigen Händlern und Maklern bereits als beendet angesehen. Einige streiften blitzschnell ihr Bärenfell ab, trabten als Bullen über das Börsenparkett, schoben den DAX nach oben … und landeten in einer riesigen Bullenfalle.
    Was war geschehen? Saddam Hussein hatte offenbar mit seinem Katz-und-Maus-Spiel die ganze Welt zum Narren gehalten. Saddam habe geträumt, so zitierte die Frankfurter Börsen-Zeitung die Erzählungen aus dem Orient, der Prophet Mohammed sei ihm erschienen und habe ihm nahegelegt, sich aus Kuwait zurückzuziehen. »Deine Raketen, oh Saddam,

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