Greifenmagier 1 - Herr der Winde
heranlenkte.
»Minasfurt ist nicht viel weiter entfernt, und außerdem können wir dann die ganze Strecke auf der Hauptstraße bleiben«, entgegnete Jasand. »Man sollte eine gute Straße nicht geringschätzen, hochverehrte Magierin.«
»Ich sicher nicht«, erwiderte Daiane gelassen.
Jasand grinste sie an, und Bertaud wurde klar, wie sehr sich der alte General darüber freute, wieder ins Feld zu ziehen, sei es auch nur ein kleiner Feldzug gegen Greifen statt gegen eine richtige Kompanie casmantischer Plünderer. Eine freie Straße vor ihm und hundert Speere hinter ihm - für Jasand bedeutete das einfach Ferien vom manchmal ermüdenden höfischen Leben in Tihannad. Seine Zuversicht wirkte ansteckend, und Bertaud spürte, wie sich im Verlaufe des angenehmen Tages etwas von der eigenen Anspannung löste. Vielleicht erwies es sich ja letztlich wirklich als recht einfach, mit den Greifen fertig zu werden; vielleicht war nichts daran schwierig oder verwirrend oder kontrovers. Bertaud konnte das zumindest hoffen.
Von Tihannad aus waren es etwa sechzig Meilen bis Minasfurt. Wenn sie sich anstrengten, konnten sie die Stadt Riamne bis zum Abend erreichen. Dann blieb für den nächsten Tag ein entspannter Ritt bis Minasfurt, sodass die Männer noch die Kraft hatten zu kämpfen. Falls es zu einem Kampf kommen würde. Mit etwas Glück ließe sich das vermeiden. Besser wäre es, wenn Daiane ein Gespräch mit den Greifen beginnen könnte. Und wenn Bertaud aufgefordert würde, im Namen des Königs zu ihnen zu sprechen? Was sollte er dann vorbringen, fragte er sich? Vermutlich betrachtete Jasand die Sache aus dem richtigen Blickwinkel; vermutlich war es am besten, den Ritt zu genießen und die Ereignisse der nächsten Tage in ihrem eigenen Tempo auf sich zukommen zu lassen.
Riamne war eine Stadt aus Holz und Ziegeln mit Kopfsteinpflasterstraßen und hohen, schmalen Häusern. Die Truppe traf dort ein, als gerade das letzte Tageslicht verblasste. Man fand hier zwei Gasthäuser, die jedoch beide vollständig belegt waren. Jasand wies seine Männer an, auf einem Feld vor der Stadt ihre kleinen Zelte aufzuschlagen; diesen Befehl mussten sie bereits im Licht der Laternen und des Mondes ausführen. Der General gab auch die Anweisung, sein eigenes Zelt dort zu errichten. Unterdessen gelang es Bertaud, einen vermögenden Bauern mitsamt seiner Familie aus dem besten Zimmer des näher gelegenen Gasthauses zu verscheuchen und Daiane darin unterzubringen.
»Ich selbst jedoch werde auf das Feld zurückkehren«, sagte er lächelnd. »Jasands Zelt ist groß genug für zwei, und wenn er bei seinen Männern bleibt, wäre es kaum richtig, wenn ich mich hier einquartierte. Glückliche Frau, die von solchen Bedenken nicht betroffen ist. Werdet Ihr Euch hier wohlfühlen?«
Die alte Magierin tastete die Matratze mit ihrer gebrechlichen Hand ab und sah sich im spärlich möblierten Zimmer um. Sie warf Bertaud auf seine Frage hin einen sarkastischen Blick zu, obwohl er darauf geachtet hatte, einen völlig unschuldigen Ton anzuschlagen. »Ja, gewiss. Oder wenn nicht, sollte ich es kaum zu erwähnen wagen, nachdem Ihr diese Bemerkung gemacht habt, junger Mann.«
Sie war Lehrerin von Iaor und später auch von Bertaud gewesen, damals, als er noch ein Knabe am Hofe des alten Königs war. Damals hätte Bertaud nie erwartet, dass er einmal so vertraulich mit ihr reden würde, wie er es heute tat. Er lächelte und verbeugte sich leicht.
Daiane betrachtete ihn mit hochgezogener Braue, durchquerte langsam das Zimmer und setzte sich seufzend auf den einzigen Stuhl darin. »Er bräuchte eigentlich ein Kissen«, erklärte sie mit Bedacht, »aber er wird auch so reichen, alldieweil er kein Sattel ist. Es liegt Jahre zurück, dass ich zuletzt so weit gereist bin, wisst Ihr?«
»Ich weiß.« Bertaud nahm ein Kissen vom Bett und reichte es ihr mit einer Höflichkeit, die nur eine Spur übertrieben ausfiel. »Benötigt Ihr Hilfe beim Aufstehen, hochverehrte Daiane?«
Der Blick fiel dieses Mal noch sarkastischer aus, aber die alte Magierin ließ sich von ihm aufhelfen. Bertaud arrangierte das Kissen auf dem Stuhl, und sie setzte sich wieder und nickte zufrieden.
»Ich komme sehr gut zurecht. Nehmt Ihr hier mit mir das Abendbrot ein? Oder fühlt Ihr Euch gezwungen, Euch auch dazu in die Gesellschaft der Männer zu begeben?«
»Ich denke, dass ich nicht so weit gehen muss.« Die Soldaten führten Rationen mit, die ausreichend waren, aber kaum dem Standard eines
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