Greifenmagier 1 - Herr der Winde
guten Gasthauses entsprachen. »Ich werde das Personal anweisen, uns hier etwas aufzutragen.«
»Um der menschlichen Neugier keinen Anreiz zu bieten«, sagte die Magierin und warf ihm mit ihren dunklen Augen einen Seitenblick zu.
Bertaud neigte den Kopf und erklärte diesmal im ernsten Ton: »Um dem Gedränge und dem Lärm zu entgehen. Ihr könnt mir mehr über Greifen erzählen, hochverehrte Daiane, da wir im glücklichen Farabiand früher niemals von diesen Kreaturen heimgesucht wurden. Ihr könnt mir einen Rat erteilen, was der Sprecher des Königs zu ihnen sagen sollte, falls es zu einem Gespräch mit ihnen kommt.«
Die Magierin zeigte ein leises Lächeln. »Ich habe wohl kaum einen Rat, den ich erteilen könnte. Ich kann Euch die Gedichtverse vortragen, die ich kenne und die sich um Feuer und roten Staub und den Wüstenwind drehen ... Ich darf wohl nicht erwarten, dass Ihr Euch noch an die Studien Eurer Jugend erinnert, hmm?«
Bertaud wurde rot und lachte. »An wenig genug, hochverehrte Daiane. Ich muss meine geschätzte Lehrerin um Vergebung bitten!«
Daiane nickte, ein Ausdruck resignierter Missbilligung. »Junge Männer interessieren sich nur selten für die Dichtkunst und Geschichte, die wir so mühsam für sie verfassen. Nun, also werde ich Euch Gedichte vortragen, und Ihr könnt mir dann erklären, welche Absichten der König im Hinblick auf Greifen haben sollte.«
»Mehr, als dass sie wieder fortziehen?«
»Ich hoffe«, antwortete Daiane, »dass es sich als so einfach erweist.«
Das tat Bertaud ebenfalls. Inbrünstig.
Im Dorf Minasfurt hoffte man das Gleiche, als die Truppe dort eintraf. Es gab hier einen kleinen, aber angenehm eingerichteten Gasthof und vielleicht ein halbes Hundert Familien, deren Häuser im Umkreis von einem eintägigen Fußmarsch lagen. Einige waren aus Furcht vor den Greifen nach Norden gezogen, nach Riamne, andere in südlicher Richtung nach Taland oder in westlicher Richtung nach Sihannas am Rande des Deltas. Viele waren jedoch geblieben. Sie freuten sich darüber, einen Trupp Soldaten zu sehen, an dessen Spitze die Standarte des Königs flatterte. Das war deutlich zu erkennen, auch wenn die Menschen nicht herandrängten, als sie die Neuankömmlinge sahen.
»Aber hundert Mann reichen nicht, junger Herr«, erklärte der Gastwirt ernst, während er persönlich das Zaumzeug von Bertauds Pferd hielt. »Eine ganze Menge Greifen halten sich in den Bergen dort auf, Herr, bitte um Vergebung, und das sind große, gefährliche Kreaturen.«
Roter Staub stieg unter den Hufen des Pferdes auf, als es damit scharrte. Das Tier war nervös. Es klappte die Ohren mal nach hinten, mal nach vorn und lauschte auf Laute, die kein Mensch zu hören vermochte. Der Wind, der durch den Innenhof der Gaststätte wehte, fühlte sich seltsam und rau an.
»Der König hofft, dass es nicht so viele sind«, sagte Bertaud unverbindlich, stieg ab und nickte dabei dem Wirt zu, eine Geste des Dankes für die Hilfestellung. »Und wir alle hoffen, dass wir nicht gegen sie kämpfen müssen, wie viele es auch sind. Habt Ihr sie selbst gesehen?«
»Ich nicht, Herr - das heißt: nur, wenn sie gelegentlich über uns hinwegfliegen. Nehoen und Jos und sogar Tesme aber haben alle oben in den Bergen nach Kes gesucht und sagen, dass man dort ganz schön viele von ihnen sieht.« Der Gastwirt reichte das Pferd an einen Jungen weiter, der es in den Stall führen sollte. Bevor dem Jungen dies gelang, musste er sich mit dem Reittier einen Weg durch die Schar von Schaulustigen bahnen.
Bertaud legte neugierig den Kopf schief und blickte zur Menge hinüber. »Nehoen? Jos, Tesme, Kes?« Jasand und Daiane waren lautlos herbeigekommen, um zuzuhören.
Der Gastwirt verneigte sich knapp. »Kes war ... Kes ist nur ein Mädchen, Herr. Sie konnte ... kann ganz gut mit Kräutern umgehen, eine Schnittwunde nähen oder einen Knochen richten. Ein Mann kam her und bat sie, ihm zu folgen, und sie stieg in die Wüste hinauf, um jemandem zu helfen, der verletzt worden war. Ehe wir auch nur wussten, dass dort oben jetzt eine Wüste existiert.«
Bertaud fand es beachtenswert, dass der Mann zu Beginn seiner Antwort die Vergangenheitsform zunächst benutzt und sie dann korrigiert hatte - als ob sie ein Unbehagen bei ihm auslöste. »Und sie ist nicht mehr zurückgekehrt?«
»Nein, Herr. Deshalb sind wir sie suchen gegangen ... einige von uns. Zu Anfang wir alle. Tesme - das ist Kes' Schwester, Herr - hat immer weitergesucht. Tagelang. Und
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