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Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Titel: Greifenmagier 1 - Herr der Winde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neumeier Rachel
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dem Fürsten sagte, der aus dieser luftigen Halle kam und vor ihn trat? Ob er überhaupt einem Mann zuhören würde, den er hierher entsandt hatte - und der dann alle seine Gefährten verloren hatte und allein zurückkehrte?
    Und wenn er zuhörte, was trug ihm der Fürst wohl vor?
    Wenn sie ihn begleitet hätte, was hätte sie dem König gesagt? Kes seufzte. Wenn sie gewusst hätte, was sie sagen sollte, dann wäre sie vielleicht auch mutig genug gewesen, um zu gehen. Vorausgesetzt, Kairaithin hätte es geduldet. Kes starrte in die Wüstennacht hinaus. Der Wind roch nach heißem Gestein und Stille.
    Opailikiitas Stimme glitt seltsam zögerlich in ihr Gewahrsein. Geht es dir gut?
    »Ja«, antwortete Kes ganz mechanisch. Dann stellte sie sich dieselbe Frage und fand keine Antwort. Sie seufzte erneut, streichelte der schlanken Greifin den Hals und zauste das Gefieder sachte gegen den Strich, damit sie spürte, wie es sich anschließend wieder glättete. In der Dunkelheit war Opailikiita vor allem als sich bewegende Hitzequelle und durch den ausgestoßenen Atem wahrnehmbar. »Würdest du mich nach Hause bringen?«, fragte Kes sie.
    Kairaithin hat es verboten.
    Kes zögerte. Trotzdem ... fühlte sie irgendwie, dass in dieser Feststellung bei all ihrer Klarheit nicht ganz der Nachdruck mitschwang, den sie hätte haben können. »Ja«, sagte sie, »aber tätest du es trotzdem?«
    Opailikiita drehte den Hals und berührte Kes mit der Spitze des tödlichen Schnabels an der Wange. Es war eine Liebkosung, und Kes lächelte und lehnte sich an die Schulter der Greifin.
    Kairaithin ist mein Siipikaile, antwortete die Greifin, aber du bist meine Schwester, und ich werde dich nicht hier festhalten, wenn du nicht möchtest. Doch ist die Wüste jetzt nicht dein Zuhause? Und ist Kairaithin nicht auch dein Siipikaile?
    Kes schüttelte den Kopf, was aber nicht wirklich ein Nein bedeutete. Vielleicht fragten Greifenmagier niemals, ob man daran interessiert war, ihr Lehrling zu werden, ob man lernen wollte, das Feuer und den aufsteigenden Wind zum Bestandteil der eigenen Seele zu machen, oder ob man zur Wüste gehören wollte. Vielleicht sah ein Greif nur, dass man über die Macht gebot, die er brauchte, selbst wenn man sich selbst nicht darüber klar war, und sorgte dann dafür, dass man sie zu nutzen lernte, wie es seinen Bedürfnissen entsprach.
    Bist du zornig? Opailikiita klang neugierig, schien aber nicht beunruhigt zu sein, dass ihre Freundin möglicherweise wütend oder verärgert war.
    Doch Kes war nicht zornig. Vielmehr stieg eine Sehnsucht in ihr auf - eine Sehnsucht nach dem schlichten Haus für Menschen, das sie mit Tesme geteilt hatte, nach dem Wiehern der Stuten auf der unteren Weide und den anheimelnden Düften von geschnittenem Heu und frischem Brot anstelle des Geruchs von heißem Stein und Staub. Sie schloss die Augen vor der drückenden Dunkelheit und flüsterte: »Ich möchte nach Hause.«
    Dann bringe ich dich hin, sagte Opailikiita. So weit ich den Weg zurücklegen kann.
    Auf der Greifin zu reiten war anders als auf einem Pferd. Weder Sattel noch Steigbügel waren vorhanden, und es gab noch mehrere weitere Unterschiede. So war das Gefieder unter Kes' Knien weich und zerbrechlich. Kes stellte fest, dass sie sich davor fürchtete, sich zu fest ins Halsgefieder der Greifin zu krallen, um sie ja nicht zu verletzen.
    Du kannst dich richtig festhalten, versicherte ihr Opailikiita und setzte mit mächtigem Löwensprung vom Felsen. Das geschah so plötzlich, dass sich Kes auf die Zunge biss.
    Es war überhaupt nicht wie der Ritt auf einem Pferd. Der heftige Ruck, als die Greifin die Schwingen ausbreitete, um den Wind einzufangen, warf Kes beinahe ab. Sie schluckte einen Schwall Luft herunter und klammerte sich mit Händen und Beinen fest.
    Die Hochweide oberhalb des Hauses war zur Wüste geworden. Die Bäume dort waren fort - nicht tot, sondern ganz verschwunden, als wären sie nie gewachsen. Das Gras war verdorrt und vom Winde verweht; sogar auf den unteren Wiesen der Vorberge war es spärlich und dünn geworden. Am anderen Ufer des Baches, der durch die Wiesen des Mittellandes floss, wuchs es jedoch dicht und grün: ein so unvermittelter Wechsel der Landschaft, als trennte der kleine Bach Länder, die tausend Meilen voneinander entfernt lagen.
    Opailikiita überflog den Bach nicht, setzte ihre Krallen nicht in das kühlere Land, sondern landete auf dem in der Wüste gelegenen Uferbereich. Kes schwenkte das Bein über ihren

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