Grenzen setzen – Grenzen achten
abzugrenzen. Ich setze mir eine Grenze beim Essen und Trinken, beim Arbeiten und beim Geldverdienen, beim Kaufen und beim Spielen. Zur gesunden Entwicklung des Kindes gehört es, dass es die Grenzen der Realität annimmt. Die Mutterbrust steht dem Kind nichtimmer zur Verfügung. Es gibt nicht zu jeder Zeit zu essen. Es gibt alles nur mit Maß. Menschen, die nicht lernen zu verzichten, sind unfähig, ein starkes Ich zu entwickeln. Das starke Ich ist aber die Voraussetzung, sich gegen die Suchtwünsche abzugrenzen. Der Süchtige hat auch ein maßloses Selbstbild. Daher braucht es zur Heilung der Sucht das richtige Maß der Selbsteinschätzung. Wir müssen uns verabschieden von der Illusion, wir seien die größten und besten und intelligentesten Menschen. Wir müssen uns bescheiden mit dem, was wir sind, uns aussöhnen mit unserer Struktur und unserem Charakter.
Der Weg der Verwandlung
Ein anderer Weg zur Heilung der Sucht besteht darin, die Sucht wieder in Sehnsucht zu verwandeln. In der Sucht richten wir unsere Sehnsucht auf begrenzte Dinge und überfordern sie damit. Wir brauchen immer mehr und immer neue Suchtobjekte. Wir können nicht aufhören, noch mehr zu trinken und zu arbeiten. Wenn wir jedoch unsere Sehnsucht auf Gott richten, der allein grenzenlos ist, dann bekommt unser Umgang mit den Dingen das richtige Maß. Wir erwarten uns vom Wein nicht die Lösung unserer Probleme. Wir können ihn genießen. Aber wir wissen zugleich, dass wir nicht immer in Hochstimmung sein können, dass auch Traurigkeit und Enttäuschung zu uns gehören.
Bei den stoffgebundenen Süchten stoßen wir sehr schnell an unsere Grenzen. Der Alkoholiker erkennt irgendwann, dass er sich zu Tode trinkt. Bei nicht stofflichen Süchten wie Spielsucht oder Arbeitssucht oder Beziehungssucht ist das schwieriger zu erkennen. Aber auch hier geht der Weg der Heilung über die Verwandlung der Sucht in Sehnsucht. Ich muss mit der Sehnsucht in Berührung kommen, die hinter meiner ununterbrochenenArbeit steht. Ist es die Sehnsucht nach Anerkennung, nach Wichtigkeit, nach dem Gelingen meines Lebens? Oder ist es die Flucht vor meiner Durchschnittlichkeit, der ich mit meiner Arbeit aus dem Weg gehen möchte? Für den hl. Benedikt ist die Arbeit eine wichtige spirituelle Herausforderung. An ihr kann ich ablesen, ob ich mich hinter der Arbeit verstecke und die Arbeit als Sucht missbrauche, oder ob die Arbeit aus der inneren Quelle des Heiligen Geistes strömt. Wenn die Arbeit aus der Quelle des göttlichen Geistes strömt, dann kann ich viel arbeiten, ohne erschöpft zu werden. Und meine Arbeit hat dann eher etwas Spielerisches an sich und nicht das Harte und Aggressive, das die Arbeitssüchtigen ausstrahlen. Wer aus einer trüben Quelle heraus arbeitet, aus der Quelle seines Ehrgeizes, seines Perfektionismus oder seiner Sucht, der verunreinigt seine Umgebung mit seinen verdrängten Bedürfnissen. Wenn ich meine Gefühle und meinen Leib bei der Arbeit beobachte, kann ich erkennen, aus welcher Quelle ich arbeite.
Für Benedikt wird die Arbeit immer wieder begrenzt durch Gebet und Meditation, durch Muße und gemeinsame Mahlzeiten. Die Tagesordnung, wie Benedikt sie für die Mönche entworfen hat, weist den verschiedenen Bedürfnissen ihr richtiges Maß zu. Die äußere Grenze, die der Arbeit gesetzt ist, bringt den Mönch in das richtige Lot. Wer nie aufhören kann zu arbeiten, zeigt, dass er das Maß für sich verloren hat. Irgendwann wird dann sein Körper streiken und ihn zwingen, seine Grenze zu akzeptieren. Aber auch das fällt vielen schwer. Sie meinen, sie müssten den Körper maßlos antreiben, damit sie das gewünschte Arbeitspensum leisten können. Spätestens der Tod wird uns eine Grenze setzen. So musste es der Mann im Gleichnis Jesu erfahren. Noch in derselben Nacht forderte Gott sein Leben zurück. All sein Planen war vergebens.
Verlorenes Gespür
Nicht nur suchtkranke Menschen haben das Gespür für die eigene Grenze verloren, sondern auch Menschen mit psychotischen Neigungen. Da ist ein junger Mann, der an Schizophrenie leidet. Über lange Zeit geht es gut. Er feiert mit einer Gesellschaft von Verwandten und Freunden und spricht ganz normal und vernünftig mit den Gästen. Doch dann auf einmal wird es ihm zuviel. Die Mutter spürt, dass er sein Maß überschritten hat, sie zieht ihn beiseite und möchte mit ihm die Gesellschaft verlassen. Doch er meint, es sei so schön, er müsse noch länger bleiben. Wenn er aber länger bleibt, wird er
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