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Grenzfall (German Edition)

Grenzfall (German Edition)

Titel: Grenzfall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kröger
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Mattie. »Und Sie sind die Fotografin? Haben Sie Ihre Kamera vergessen?«
    Manchmal bringt es nichts, den Gegner zu umkreisen, ihn in Sicherheit zu wiegen. Mattie entscheidet sich dafür, in die Vollen zu gehen. »Er ist Nikolaus Ostrowski, Herr Wedemeier. Alles andere war ein Vorwand, um möglichst schnell einen Termin bei Ihnen zu bekommen. Und weil gerade Wahlkampf ist – hat ja funktioniert.«
    Er zeigt keine Reaktion, noch nicht.
    »Ich arbeite für die Kanzlei Meerbach & Wiese in Berlin. Wir vertreten Adriana Ciurar.«
    Sie holt tief Luft. Lass ihn nicht zu Wort kommen, Mattie. Kurzer Blick zu Nick. Anscheinend läuft sein verstecktes Mikro.
    »Herr Wedemeier, wir gehen von der Annahme aus, dass Sie oder jemand in Ihrem Auftrag Uwe Jahn umgebracht und es unserer Mandantin in die Schuhe geschoben hat.«
    »Das ist ja lächerlich.« Er lacht sogar ein bisschen. »Sie fantasieren.«
    Nick grinst. Weiter, Mattie. »Wir haben recherchiert, dass Jahn in Ihrem Auftrag am 2. August 1992 die Leute bezahlt hat, die angeblich spontan das Asylbewerberheim in Kollwitz-Fichtenberg mit Brandsätzen beworfen haben. Als Makler haben Sie zwei und zwei zusammengezählt und sich die Stimmung unter den Anwohnern zunutze gemacht.«
    »So etwas habe ich nicht nötig. Aber sprechen Sie nur weiter. Ich kenne die Märchen, die über mich verbreitet werden, lieber vor ihrer Veröffentlichung.« Er lehnt sich zurück. Ein Schluck Kaffee. Ein Blick aus dem Fenster. Der weiß, wie man taktisch agiert.
    »Die Scheidung war sicher nicht billig. Und das hier zu sanieren …« Nick spricht leise, fast sanft.
    Mattie nimmt den Faden auf. Ruhig jetzt. »Jahn war immer ein unsicherer Kandidat. Die Geister der Vergangenheit ließen ihn nicht los. Und jetzt taucht plötzlich Adriana Ciurar auf, zwanzig Jahre später.«
    Keine Reaktion, nur interessierte Aufmerksamkeit.
    »Ist er in Panik geraten, als sie plötzlich vor ihm stand? Wollte er reinen Tisch machen?«
    »Schuld und Sühne. Große Themen der klassischen Literatur.« Plötzlich spannt er sich an und beugt sich vor. »Sie haben keinen Beweis, junge Frau.« Und schon sitzt er wieder bequem. Zurückgelehnt, die Augen geschlossen. »Lassen Sie mich Ihren Faden mal weiterspinnen. Selbst wenn Uwe Jahn die Leute bezahlt hätte und man mir den Auftrag nachweisen könnte – die Sache mit dem Brandanschlag ist doch längst verjährt. Und es ist nicht einmal jemand dabei zu Schaden gekommen. Eine Lappalie.«
    Mattie fährt auf. Nick macht eine kleine Bewegung mit der Hand. Okay, dein Ball, Nick. Mach was draus.
    Wieder diese sanfte Stimme. »Für die Lappalie gibt es Augenzeugen. Und selbst wenn wir die Justiz nicht überzeugen können, wird es uns ein Leichtes sein, mit einer Doppelseite in einer überregionalen Tageszeitung Ihre Wahl zum Bürgermeister zu verhindern.«
    Wedemeier lacht. Der ganze Körper bebt. Nur die Augen lachen nicht. »Eine Zigeunerin? Eine Mörderin? Selbst ein tendenziöser Schmierer wie Sie braucht ja wohl etwas verlässlichere Zeugen für seine linke Propaganda.«
    Gut. Er wird beleidigend. Nick bleibt ruhig. Er guckt scheinbar gelangweilt aus dem Fenster. Das Zeichen für Mattie.
    Unauffällig drückt sie die mittlere Taste auf ihrem Handy. Senden.
    »Ich spreche nicht von Adriana Ciurar.« Nick zieht die Kontaktabzüge aus der Mappe, die vor ihm auf dem Couchtisch liegt. Er blättert langsam durch, hält ab und zu eine der Porträtaufnahmen hoch, so dass Wedemeier sie sehen kann. »Das Heim war damals, wie Sie wissen, voll besetzt. Die meisten Roma wurden in den Monaten nach dem Brand abgeschoben oder sind untergetaucht. Heute aber, Herr Wedemeier, ob es Ihnen passt oder nicht, sind diese Leute Bürger der EU und können sich dementsprechend frei bewegen.«
    »Interessanter Gedanke.« Er sagt das in einem Ton, als säßen sie gemütlich bei einem abendlichen Debattierzirkel. »Sie bluffen, Ostrowski.«
    Das Fenster befindet sich rechts von Wedemeier. Eigentlich sind es Balkontüren. Er hat sich zu Nick gewandt, der dem Fenster gegenübersitzt. Mattie hat den Balkon zu ihrer Linken. Auch sie beobachtet Nick.
    Lässig hebt er die rechte Hand wie zum Gruß. Ein ironisches Lächeln folgt.
    Wedemeiers Blick schnellt herum. Mattie steht auf und tritt zurück, um die Szene besser erfassen zu können. Der Park ist nicht mehr menschenleer.
    Ein Mann beugt sich über die Brüstung des Balkons. Einer lehnt an einem Baum, kämmt sich die Haare zurück. Drei Frauen in langen Röcken

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