Grenzgaenger
habe kein Atropin und kein Scopolamin gefunden.»
«Das ändert nichts. Die Fingerspuren am Tatort sind dieselben wie bei den beiden anderen Fällen.»
«Der Tote könnte das Medikament in suizidaler Absicht genommen haben. Das kommt bei Digitalis häufiger vor. Es gibt keine Anzeichen von Gewaltanwendung bei der Leiche.»
«Wann ist der Tod eingetreten?»
«So zwischen dreizehn und vierzehn Uhr.»
«Und wann hat er das Gift genommen?»
«Das ist schwer genau einzugrenzen. Zwischen neun und zwölf, näher kann ich mich nicht festlegen.»
«Wieder dieser Atropin-Cocktail?», wollte Heinrichs wissen, als Toppe aufgelegt hatte.
«Nein, Digitalis. War vielleicht im Sherry oder in den Negerküssen.»
Astrid schlug die Augen gen Decke. «Ich wünschte wirklich, Sie würden nicht immer ‹Negerküsse› sagen.»
Toppe zog verständnislos die Brauen zusammen.
«Schokoküsse», korrigierte sie sanft.
«Schokoküsse», wiederholte Toppe, noch immer verwirrt.
«Von wegen der Diskriminierung, Mann», erklärte van Appeldorn ironisch. «Ich bin Ihnen dankbar, dass wir nicht ‹Nelson-Mandela-Solidaritätsgebäck› sagen sollen. Den Vorschlag habe ich nämlich neulich auch irgendwo gelesen.»
Toppe rief beim ED an.
«Berns?»
«Toppe hier. Könnt ihr euch wohl mal die Schokoküsse genauer ansehen? Bonhoeffer sagt, der Mann ist an einer Digitalisvergiftung gestorben. Digoxin.»
«Schokoküsse?»
«Ja, die Negerküsse.»
«Ach so, van Gemmern ist gerade dabei. Der Sherry ist übrigens in Ordnung. Kein Atropin oder so.»
«Gut.»
«Mich würde ja brennend interessieren, warum dieser Typ seine Methode geändert hat», sagte Heinrichs.
«Vielleich’ is’ se ihm zu langweilig geworden», flachste Ackermann.
«So anders ist die Methode doch gar nicht», fand Toppe. «Genau wie bei den beiden anderen: gut vorbereitet, sauber, unblutig, intelligent.»
«Völlig ruhig und kaltblütig und wieder mit Fingerspuren», ergänzte van Appeldorn.
«Ich kann mir nicht helfen», warf Heinrichs ein, «aber glaubt mir, der Typ ist ein Krimifan. Das sind lauter ausgefallene Methoden, die der irgendwo gelesen hat und jetzt selbst ausprobiert, und zwar ganz sorglos, fast wie ein Spiel.»
«Vielleicht ist es einfach ein Verrückter, der sich seine Opfer ganz zufällig aussucht», schlug Astrid schaudernd vor.
«Nein», wehrte Toppe ab, «so, wie es aussieht, haben die Opfer ihn alle gekannt. Keine Gewaltanwendung. Und es gibt ja tatsächlich eine Verbindung zwischen den Opfern, wenn wir auch noch nicht genau wissen, wie alles zusammenhängt.» Er nahm das Foto zur Hand.
«Ich möchte wissen, wer diese beiden Leute hier sind. Und wer sonst noch mitgefahren ist. Herr Ackermann, würden Sie im Labor ein paar Kopien von dem Foto machen lassen?»
«Klar, Chef, mach ich, klar.»
«Dann wollen wir mal loslegen.» Van Appeldorn suchte die Bigbandliste heraus.
Sie teilten sich ein: Toppe und Breitenegger wollten mit Frau Hetzel sprechen. Die eine Hälfte der Bigband übernahmen Heinrichs und Ackermann, van Appeldorn und Astrid wollten zunächst den Orchesterleiter befragen und danach die andere Hälfte der Musiker.
«Und morgen müssen wir noch einmal mit Reuters Freundin und Bruikelaers Kollegen sprechen, ob die etwas von dieser Worcester-Reise wissen», sagte Toppe noch.
Karin Hetzel war vierzig Jahre alt und arbeitete als freie Fotojournalistin. Seit fast vier Jahren war sie alleinerziehend. Leise und ruhig gab sie ihre Personalien an. Sie war hübsch, mittelgroß und schlank mit dunklen, kurzen Locken. Ihr eigentlich etwas kantiges Gesicht wirkte freundlich durch die warmen, dunklen Augen und den großen Mund.
Sie hatte geweint, und als Toppe sie fragte, wann sie den Toten gefunden habe, zog sie wieder ein Taschentuch aus der Jackentasche und presste es gegen die Augen. Toppe war ein bisschen verwundert. Sie trauerte wirklich. Er dachte an Jochen Reuters Mutter und die Freundin.
«Es tut mir leid», sagte sie, «ich komme mir immer noch vor wie in einem bösen Traum.»
Aber dann fasste sie sich ein wenig. «Ich bin um halb zwei runtergegangen, weil ich ihn fragen wollte, ob er Sebastian zum Schwimmen fahren konnte. Ich hatte um drei einen Termin. Und als ich ins Wohnzimmer kam, saß er tot im Sessel.»
Sie schluckte.
«Hatten Sie einen Schlüssel zur Wohnung, oder war die Tür offen?»
«Die Tür war angelehnt, wir schließen unsere Wohnungen nie ab. Aber ich habe auch einen Schlüssel.»
«Hatte Ihr früherer Mann
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