Grenzgaenger
bewegte.
«Irgendwie fing der völlig an zu spinnen, wollte noch eine Sitzecke einrichten, wo man Tee trinken und quatschen konnte. Das hatte alles mit unserem ursprünglichen Konzept überhaupt nichts mehr zu tun. Und wie der mit den Kunden umging! Wenn die nicht seine Weltsicht teilten, fing er endlose Diskussionen an oder schmiss sie fast raus. Ich konnte ihm nie klarmachen, dass wir schließlich was verkaufen wollten und davon leben mussten. Ich zumindest», ärgerte sie sich. «Wir haben uns schließlich bloß noch gefetzt.»
«Und sonst», fragte Astrid irgendwann, «hat er Sie auch angemacht?»
Toppe sträubten sich alle Haare, aber Anne Martini fand die Frage völlig normal.
«Ach, der versucht doch, jede erreichbare Frau anzubaggern. Aber der ist so verklemmt, dass einem schon im Ansatz alles vergeht. Und wenn er sich wenigstens bloß mal waschen würde.»
Nicht einmal ein halbes Jahr war der Laden gelaufen.
«Wir waren dermaßen in den roten Zahlen, dass ich gesagt hab, ich steige aus. Ich zahle übrigens heute noch daran ab.» Sie lachte böse. «Und das Allerbeste: Der hat mich auch noch ständig angepumpt!»
Anfangs hatte sie sich offensichtlich von seinen Theorien, wie man einen Laden führen sollte «und wie die Welt überhaupt funktioniert – hörte sich ja auch prima an», einwickeln lassen. «Aber später hab ich dann kapiert, dass das alles nur dummes Geschwätz ist, und dass so ein Geschäft einfach immer nach den gleichen Prinzipien funktioniert, ob man das nun wahrhaben will oder nicht.»
Küsters hatte dann, als sie aus dem Geschäft ausstieg, versucht, ein Gerichtsverfahren gegen sie anzustrengen. «Aber das hat mich auch nicht mehr umgehauen. Schließlich hat er mir jeden Tag erzählt, gegen wen er alles Prozesse führt: gegen das Sozialamt, gegen das Arbeitsamt und gegen die Stadtverwaltung. Der ist einfach nur ein aufgeblasener Spinner.»
«Wissen Sie, wo Herr Küsters wohnt?»
«Keine Ahnung. Er war aber vorgestern noch hier und wollte mich anpumpen.»
«Echt?» Astrid schüttelte ungläubig den Kopf, aber Anne Martini zuckte nur müde die Achseln. «Das macht der öfter, wenn er mal wieder knapp bei Kasse ist. Ich hab ihm gesagt, er soll doch sein Auto verkaufen, dann hätte er genug Geld. Da ist er mir fast ins Gesicht gesprungen.»
«Er war mit seinem eigenen Auto hier?», fragte Toppe.
Sie nickte.
«Was ist das für ein Wagen?»
«Eine Kastenente. Haben seine Eltern ihm damals gekauft – brandneu –, als wir den Laden aufgemacht haben.»
«Wissen Sie das Kennzeichen?»
«Nein, aber das Auto ist ziemlich auffällig, leuchtend gelb, und so viele Kastenenten fahren hier ja nicht rum.»
Toppe war völlig geschafft, als sie den Laden verließen.
Astrid hielt ihm die Beifahrertür auf. «Was für ’n Typ», murmelte sie gedankenverloren.
Es war schon fünf nach zwei, als sie endlich im Präsidium waren, und Toppe hatte das Gefühl, sein Magen hinge ihm bis auf die Schuhspitzen.
«Wollen Sie dabei sein?», fragte er, während er die Treppe hochächzte.
«Da können Sie sich drauf verlassen», antwortete Astrid und öffnete die Tür, die Toppe in diesem Gebäude am allerwenigsten schätzte.
Und alle waren da. Am Kopftisch der Chef, kamerawirksam mit silbernem Federhalter in der Hand, seine Papiere durchblätternd. Neben ihm Dr. Stein, locker, ungerührt und neugierig. Dann die üblichen Schreiberlinge der Lokalblätter, aber auch der ‹Express› war vertreten, und Toppes spezieller Freund, Wagner von der ‹Bild›, machte sich in der ersten Reihe breit. Eine ganze Horde von Fotografen drängte sich neben der Tür zusammen, und Toppe entdeckte zu seinem Erstaunen Karin Hetzel mitten unter ihnen.
Der WDR tauchte die ganze Szenerie mit seinen großen Scheinwerfern in grelles Licht, Aktuelle Stunde, Schaufenster Düsseldorf. Ein Kameramann stand mitten im Raum.
Toppe arbeitete sich zu seinem Platz neben dem Chef vor. Er musste dies hier hinter sich bringen, ob es ihm nun passte oder nicht. Das Gemurmel war verstummt, als er zur Tür reingekommen war, also setzte er sein professionellstes Gesicht auf und hoffte, die Kamera möge noch nicht eingeschaltet sein, als er ungeschickt und schwerfällig durch die Arena hinkte.
Astrid war an der Tür geblieben. Gleich neben ihr stand Ackermann, tippte grüßend mit dem Finger an die Schläfe und nickte ihm zu.
Stein wartete, bis Toppe sich gesetzt hatte, sprach dann ein paar unverbindliche, begrüßende Worte und fasste
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