Grenzgaenger
ihre Augen wurden schmal.
Katzenaugen, dachte er.
Er vergrub das Gesicht in den Händen.
Sie kam herüber, beugte sich über den Schreibtisch und legte ihre Hand auf seinen Arm. Durch seine Finger konnte er den Ansatz ihrer Brüste sehen.
Kikeriki, dachte es in ihm.
«Sie grübeln zu viel.»
Wenn du wüsstest, dachte er, und seine Ohren wurden heiß.
«Mag sein.»
Luther, dachte er. Luther konnte keine Frau ansehen, ‹ohne ihrer zu begehren›.
«Ja, wenn er’s wirklich war, müssen wir ihn nur noch finden, und dieser ganze Albtraum ist zu Ende.»
Er erhob sich abrupt. «Ich gehe rüber zum Labor.»
«Wollen Sie auch einen Kaffee?» Berns hielt ihm einen dampfenden Becher hin.
Das Labor verfügte über den Luxus einer eigenen Kaffeemaschine. Van Gemmern sah nur kurz auf und nickte grüßend, dann beugte er sich wieder über seine Arbeit.
«Ja, danke. Und?»
«Schwierig, schwierig.» Berns faltete die Hände über dem dicken Bauch und lehnte sich gegen die Wand. «Sieht ganz schlecht aus. Sehen Sie, wir haben Bücher mitgenommen und so ’n Nippeskram, aber leider halten sich Fingerspuren nicht so lange. Eine Woche vielleicht. Das verstaubt ja alles. Mit ’n bisschen Glück vielleicht zwei, drei Wochen.»
Toppe nickte resigniert, eigentlich wusste er das ja selbst. Mindestens ein Jahr war es her, dass Küsters zu Hause gewesen war, hatten seine Eltern gesagt. Das konnte man wohl vergessen.
Aber was sollte es auch? Wenn sie ihn gefunden hatten, konnten sie seine Fingerabdrücke nehmen, und dann wussten sie es auch.
Warten.
Was machte van Gemmern?
«Was machen Sie denn da?»
Van Gemmern pfiff vor sich hin. «Nicht schlecht», murmelte er, «gar nicht so schlecht.» Aber er sah nicht auf.
Toppe registrierte zum ersten Mal so etwas wie Anspannung bei van Gemmern. Fragend sah er Berns an. «Wir haben da in Küsters’ Zimmer eine alte Kerze gefunden. Mit ein bisschen Glück …»
«Passt», rief van Gemmern, und wahrhaftig – er lachte.
«Wie, passt?» Toppe spürte sein Herz mitten im Magen.
«Hier, die Abdrücke auf der Kerze passen zu unseren anderen Fingerspuren. Es ist ganz eindeutig.»
Toppe hinkte zurück zum Büro.
Er war auf einmal sehr unruhig, konnte dieses Gefühl aber nirgendwo so recht festmachen. Astrid saß auf dem Schreibtisch und telefonierte.
«Einen Moment, da kommt er gerade.» Sie deckte die Muschel mit der Hand ab und zischelte: «Tappeser, der Vater von der Trompeterin.»
Toppe humpelte zu seinem Stuhl.
«Toppe.»
«Herr Kommissar? Ich wollte noch einmal nachfragen, wie es denn so aussieht. Man macht sich ja schließlich Sorgen.»
«Wir sind ein gutes Stück weitergekommen, Herr Tappeser.»
«Haben Sie den Mörder?»
«Nein, noch haben wir niemanden festgenommen.»
«Ja, was mach ich denn jetzt mit dem Kind? Ich kann es doch nicht die ganze Zeit einsperren.»
«Herr Tappeser», unterbrach Toppe, «nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen glaube ich nicht, dass die Musiker der Bigband gefährdet sind.»
‹Anne Martini›, schoss es ihm durch den Kopf.
«Heißt das, ich brauche mir keine Sorgen mehr zu machen?»
«Ja, ich wäre nicht übermäßig besorgt. Und ich glaube auch, dass wir in wenigen Tagen unsere Ermittlungen abschließen können.»
«Danke, Herr Kommissar, vielen Dank. Sie wissen gar nicht, was für ein Stein mir da vom Herzen fällt. Und schöne Pfingsten auch, Herr Kommissar.»
«Ach ja, Pfingsten. Danke. Wiedersehen.»
Astrid war aufgestanden und sah ihn gespannt an. «Er ist es, nicht wahr?»
«Ja, es ist Küsters.» Er rieb sich die Stirn. «Ich mache mir Sorgen um Anne Martini.»
«Um die? Meinen Sie, der Küsters …?»
Er nickte. «Reimann glaubt, dass die Opfer dem Täter wohl einmal nahegestanden hätten. Und wenn ich so überlege … Jochen Reuter hat sich früher, als er noch Sozialpädagoge war, eine Zeitlang besonders um Küsters gekümmert. In der Zeit hat er sich ja auch noch um seinen Bruder und seine Mutter gesorgt. Alle sagen, seit er Musiker war, wäre er arrogant gewesen. Vielleicht hat er ja nicht nur seinen Bruder fallenlassen, sondern auch Küsters. Jedenfalls hatten die in Worcester nicht mehr viel miteinander zu tun.»
Er rupfte sich ein Barthaar aus.
Astrid zündete wieder eine Zigarette an.
«Ja», sagte sie, «und vielleicht hatte ja auch Otto Hetzel keine Lust mehr, sich um Küsters zu kümmern. Vielleicht hat er ihn rausgeschmissen.»
Toppe verzog zweifelnd das Gesicht.
«Glaub ich nicht. So
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