Grenzgänger
Elandros nahm ein Tuch von einem der kleinen Behälter, die quer im Zimmer auf Tischen oder Kommoden standen, und wischte sich damit über Hände und Mundwinkel.
»Ihr sucht einen Vampir namens Roumond. Ich weiß im Augenblick nicht wo er ist, aber wenn es stimmt, was man sich erzählt, ist er noch in der Stadt und lässt unsere kleine Menschenklientin Agnes nicht aus den Augen.«
»Und warum tut er das?«
»Roumond will wieder ein Mensch werden. Dieser Suche hat er sich im letzten Jahrhundert gewidmet. Ich weiß nicht, ob er bereits senil oder geistig noch auf der Höhe ist, aber die Menschenfrau muss etwas an sich haben, das den guten Roumond glauben lässt, er wäre seinem Ziel einen Schritt näher.«
»Sie hat nichts derartig Besonderes an sich. Was soll das sein?« Feng war verwirrt. Jetzt hatte er zwar einen Namen, aber ob die Information wirklich so viel nützen würde? Antwort konnte ihm einzig und allein dieser Roumond geben.
Elandros legte das Tuch zur Seite. »Ich weiß es nicht. Aber es würde mich interessieren. Gib mir Bescheid, wenn du es herausfindest.«
Feng sah Elandros angewidert an und ging zur Tür. Auf dem Weg nach unten begegnete ihm die blonde Frau, die ihm mit einem schmalen Lächeln seinen Autoschlüssel reichte. Wortlos nahm er das Stück Metall und verließ das Bordell.
Kay saß in der kleinen Küche und hielt sich so gerade, als wäre sein Rücken geschient. Er fühlte sich angespannt und gleichzeitig ausgelaugt. Agnes, eine dampfende Tasse in den Händen, setzte sich neben ihn.
»Möchten Sie wirklich nichts?«
»Solange Sie nichts extrem Hochprozentiges im Haus haben – nein danke.«
Sie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. »Ich habe vielleicht noch etwas Wodka«, bot sie an und stand wieder auf. Kay sah ihr zu, wie sie in diversen Schränken wühlte.
Nach einer Weile eifrigen Suchens hielt sie triumphierend eine Flasche in die Höhe. Wodka Gorbatschow. Kay lächelte matt.
Sie stellte die Flasche und ein Pinchenglas vor ihn hin, ehe sie sich wieder auf ihren Platz setzte.
Agnes’ Miene war noch besorgter, als an den Abenden zuvor. Kein Wunder, auch Kay machte nicht den Eindruck, als wäre er so wie an den Abenden zuvor. Er war sich dessen bewusst, aber nach diesem Desaster in Felines Wohnung fiel es ihm schwer, sich wieder in sein altes Selbst zurück zu verwandeln. Jetzt hielt er sich an dem Wodka fest, den Agnes ihm gegeben hatte.
»War es sehr schlimm?«
Er sah auf. »Was?«
»Keine Ahnung. Aber irgendetwas muss gewesen sein. Ansonsten wären Sie nicht so aufgewühlt.«
Kay lachte freudlos und nahm einen Schluck Wodka. Als der scharfe Alkohol seine Kehle hinab rann, verzog er das Gesicht.
Agnes beobachtete ihn schweigend. Nur die Besorgnis in ihrer Miene nahm zu.
»Ich muss mich entschuldigen.«
»Wegen des Trinkens?«
Kay schielte auf sein Glas, als wäre es ihm jetzt erst bewusst geworden. Als wäre Alkohol sein Problem… »Wegen des Trinkens? Nein. Sollte ich?«
Agnes zuckte mit den Schultern. »Mir würde im Augenblick sonst nichts einfallen. Dass Sie zu einer ungewöhnlichen Uhrzeit hier auftauchen, nehme ich Ihnen nicht übel. Ich weiß ja, wieso.«
Kay nahm noch einen Schluck Wodka und schenkte sich selbst nach. »Das ist interessant.« Er leerte das Glas in einem Zug. »Und aus welchem Grund sollte ich hier sein?«
»Zu meinem Schutz.«
Kay schüttelte den Kopf. Das Frage-und-Antwort Spiel ermüdete ihn und er wollte nicht einschlafen. Allerdings sollte er sich in diesem Fall auch vom Alkohol fernhalten. Nachdenklich sah er die Wodkaflasche an.
Agnes stand auf. »Kommen Sie.«
»Wohin?«
»Raus. Ich war heute den ganzen Tag in der Wohnung und ich denke, Ihnen tut es auch gut, wenn Sie ein wenig frische Luft bekommen. Sie können die Flasche ruhig mitnehmen, wenn Sie möchten.«
Kay stand auf und machte keine Anstalten nach der Flasche zu greifen. Stattdessen wartete er, bis Agnes ihre Jacke angezogen hatte. Er selbst hatte sich nicht einmal des Schals entledigt, seit er in ihrer Wohnung angekommen war.
Vor der Tür des Mietshauses war es kalt. Der Herbst war fast vorbei und der erste Winterwind war deutlich zu spüren. Aus alter Gewohnheit bot Kay Agnes seinen Arm an und sie hakte sich unter.
»Also, wofür wollten Sie sich bei mir entschuldigen?«, fragte sie, während sie in Richtung der nahen Straße liefen.
»Ich wollte mich entschuldigen, dass wir den Vampir bisher noch nicht gefunden haben.«
»Ich habe bisher auch die Anzahlung
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