Grenzgänger
näherziehen, kam ihm sogar noch entgegen…
Das Klingeln seines Handys unterbrach den Moment und störte die Stille. Kay löste sich widerwillig von Agnes, nahm ab und hörte Fengs Stimme.
»Was ist?«, sagte er schroffer als gewollt.
»Komm ins Büro. Ich bin den Vampir los und hab einige Informationen bekommen. Allerdings ist es eher knifflig.«
»In Ordnung, ich nehme ein Taxi, dann dürfte es nicht zu lange dauern.«
Kay steckte das Handy wieder ein. Fengs Stimme hatte flach geklungen und irgendwie krank.
Er wandte sich an Agnes, aber die lächelte und nickte leicht. »Melden Sie sich einfach später. Damit ich weiß, dass es Ihnen gut geht.«
»Sehr fürsorglich«, erwiderte Kay, aber seine Worte waren ernst gemeint. Er kramte in seiner Manteltasche und gab ihr eine schmale Karte. Darauf war mit nüchternen Lettern der Name der Agentur und Kays Handynummer gedruckt. »Rufen Sie lieber mich an. Auch wenn Sie sich unsicher oder unbehaglich fühlen.«
Er verabschiedete sich und rief per Handy ein Taxi an die nächste größere Straße. Den Gedanken an den kurzen Spaziergang schob er zur Seite.
Dieses E-Book wurde von "Lehmanns Media GmbH" generiert. ©2012
Kapitel 13
Mein Kopf tat weh. Ich versuchte mich aufzusetzen, aber der Schmerz wurde dadurch nur zum rasenden Brüllen, so dass ich lieber liegen blieb. Unter meiner Wange kratzte mich das Kamelhaar meines alten Sofas. Ich liebte diesen Schnäppchenschatz vom Flohmarkt. Aber wenn man das Gefühl hatte, dass Frettchen in diesem Moment eine After-Work-Party im eigenen Kopf feierten, war kratziger Kamelhaarwuchs nicht förderlich fürs Wohlbefinden.
Ich stöhnte laut, in der Hoffnung, dass irgendwer in der Wohnung war und mich hörte. Aber es war niemand da.
Ich lag also weiter wimmernd auf der Couch und versuchte, mich zu erinnern. Es gelang nur bruchstückhaft. Sehr bruchstückhaft. Samhiels Gesicht tauchte vor meinem inneren Auge auf, gefolgt von der Fratze des ausgehungerten Vampirs, aus meiner Wand.
Ruckartig setzte ich mich auf, als ich verstand, warum mir Samhiels Gesicht in diesem Moment mehr Angst machte, als das des Vampirs. Er hatte mich geschlagen. Ich hatte ihn geküsst und er hatte mich geschlagen!
Der Schmerz flammte nun auch im Rest meines Körpers auf und ich schrie, um dem Rest der Welt zumindest mitteilen zu können, dass ich litt. Mein Mund klappte wieder zu und ich schrie noch einmal auf. Irgendetwas hatte sich beim Mundschließen tief in mein Zahnfleisch gegraben, und als ich schluckte, hatte ich den metallischen Geschmack meines eigenen Blutes im Mund.
Ich schluckte noch einmal.
Hastig stand ich auf, ignorierte den Protest meines geschundenen Körpers und lief ins Bad. Vor dem Badezimmerspiegel riss ich den Mund auf und bespritzte die glänzende Oberfläche erst einmal mit roten Sprenkeln. Der Anblick erschreckte mich. Mein Spiegelbild sah jetzt aus, als wäre ich direkt in Kontakt mit einer wild gewordenen Kreissäge geraten.
Fahrig wischte ich mit dem Ärmel die Bluttropfen ab, und machte so aus ihnen Blutschlieren, die den Spiegel nur noch mehr verschmierten und mir zusätzlich noch die Bluse versauten.
Schnaubend wandte ich mich ab und hastete in den Flur, wo die Garderobe einen zusätzlichen Spiegel besaß. Diesmal war ich klüger und öffnete nur langsam meinem Mund. Noch einmal tropfte ein wenig Blut aus ihm, bespritzte diesmal aber nicht den Spiegel, sondern saute lediglich meinen Boden ein. Ich ignorierte ihn und beugte mich vor. Nachdem ich noch etwas Blut geschluckt hatte, konnte ich erkennen, aus welcher Verletzung es quoll. Das Zahnfleisch meines Unterkiefers, vorne bei den Eckzähnen, war aufgeschnitten. Es waren zwei lange, gerade Schnitte, und den Grund dafür, musste ich nicht lange suchen. Meine oberen Eckzähne hatten ihre Länge gut und gerne verdoppelt und ragten nun nadelspitz aus dem Zahnfleisch. Kein Wunder, dass mir ein zu unvorsichtiges Schließen des Mundes zum Verhängnis wurde.
Ich leckte über die Unterlippe und schluckte abermals, ohne bewusst darüber nachzudenken. Noch immer starrte ich auf meine neugewachsenen Zähne. Dann bemerkte ich, dass sich die Wunden in meinem Mund geschlossen hatten.
Mir wurde schwindelig und das nicht wegen des Blutverlustes. Ich sank auf den Boden und rieb mir über die Stirn. Oh Gott, konnte das sein?
Ich besah mir meine Zähne genauer. Wenn es wirklich das war, wofür ich es hielt, hätte doch mein Spiegelbild fehlen müssen, oder? Vampire hatten kein
Weitere Kostenlose Bücher