Grenzgänger
hier gar keiner war, fügte er stumm in Gedanken hinzu.
»Jut, dann schauen wir mal, wo wir die junge Dame finden.«
Kay lauschte wieder den Geräuschen Sandras, während sie sich daran machte nach Arien zu suchen. Es klickte einige Male, wenn das Pendel gegen den Monitor ihres Bildschirms stieß. Kay erwartete, dass Sandra ihm gleich sagen würde, Arien war in irgendeinem Urwald, um einmal mehr den Geheimnissen irgendwelcher Pflanzen auf den Grund zu gehen. Als Sandra wieder ans Telefon kam, klang ihre Stimme aber nicht nach Urlaub. Sie war zittrig.
»Liebchen, ich befürchte, mit deiner Hexe stimmt etwas nicht.«
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Kapitel 16
Feng hatte die Schultern hochgezogen. Das ließ ihn größer wirken, als er war, und dem Drachen war es ganz Recht so. Das Lagerviertel war nicht für seinen freundlichen Umgangston bekannt und trotz seiner Größe hatte Feng zuweilen Probleme mit den rechten Gruppen, die sich hier trafen, um sich mit billigem Bier volllaufen zu lassen.
Sie waren aber nicht der Grund dafür, dass Feng ungern in diese Gegend kam. Mit einigen Schlägern konnte er gut fertig werden. Wirklich Ärger machten die kleinen Gruppen von Fey, die sich mit dem Frieden nicht abfinden wollten. Sie waren fähig, ihm wirklich zu schaden und Feng war in solchen Situationen nicht in der Lage sich zu wehren. Elandros Worte hallten einfach zu deutlich in ihm nach. Wenn er einen Fey verletzen würde, wäre das hauchdünne Abkommen, das vor einem neuerlichen Ausbruch der Konflikte stand, in Gefahr.
Der Drache seufzte und schüttelte sich. Es war noch immer Nacht, aber irgendwo weit hinter sich spürte er das erste Grau der aufgehenden Sonne. Es war noch ein wenig Zeit bis dahin.
Noch einmal ging er in Gedanken die Fakten über den Vampir Roumond durch. Das Wichtigste war sein Alter gewesen. Roumond war seit achtzig Jahre verwandelt, was hieß, er war für einen Vampir sehr jung. Er musste tagsüber verschwinden. Nur die Alten vermochten es, sich wie normale Menschen am Tag zu bewegen, normale Speisen zu sich zu nehmen und auch sonst die Illusion eines sterblichen Lebens aufrecht zu erhalten. Die Jüngeren mussten sich mit den bekannten Folgen des Bluttrinkerdaseins arrangieren – Unverträglichkeit des Tageslichts und jede Nacht eine bestimmte Menge Blut. In den ersten Jahren hatte dieses Leben etwas von dem Dasein eines Junkies.
Feng sah immer wieder zur Seite, wenn eines der großen Lagerhäuser in Sicht kam. Die Tore bestanden aus zwei Teilen, die sich an Rollen auseinander schieben ließen und jedes glich seinem Nachbargebäude aufs Haar. Anscheinend hatte das auch die Lagerbesitzer gestört, denn viele Tore unterschieden sich wenigstens durch ihre Farben. Ab und an hatte sich auch jemand die Mühe gemacht, mit weißer Farbe eine Zahl an die Wand zu pinseln.
Feng hatte bereits drei Lagerhäuser mit einer roten Tür begutachtet, aber bisher hatte er nichts Verdächtiges finden können.
Kay und er hatten sich geeinigt, dass sie Feline erst am nächsten Tag suchen würden. In ihrem Zustand konnte ihr wohl kaum jemand etwas tun. Vampire waren nicht bekannt dafür, dass sie viele natürliche Feinde besaßen. Und was die eventuellen Opfer anging… Feng glaubte nicht, dass der menschliche Teil in Feline so schwach sein würde, dass er ein Bluttrinken zulassen würde.
Kay zeigte selten viel Mitgefühl, wenn es um Menschen ging. Er mochte ein leidenschaftlicher Verteidiger des Friedens zwischen Fey und Grenzgängern sein, aber das machte ihn nicht zum Heiligen. Im Gegenteil, so ganz konnte er nicht aus seiner Sidhe-Haut raus.
Er musste schmunzeln, während er versuchsweise an einem Rolltor rüttelte, dessen Farbe derart ausgebleicht war, dass sie grün, gelb, rot oder pink gewesen sein konnte. Seit Kay regelmäßig zu Agnes ging, um nach dem Rechten zu sehen, war er ein wenig weicher geworden. Vielleicht… Er rüttelte fester an der Tür; sie war verschlossen. Der Drache umrundete das Gebäude, aber das Rolltor stellte den einzigen Eingang dar.
Feng ging wieder zum Schloss und untersuchte es erneut. Es war ein einfaches Vorhängeschloss an einer dünnen Kette, wie man es in jedem Baumarkt oder Schlossergeschäft kaufen konnte.
Prüfend warf er einen Blick über seine rechte Schulter, aber die Nacht um ihn herum war still. Nur aus der Ferne klapperten die Räder eines Güterzuges auf den Schienen.
Feng drückte einmal zu, das Schloss in der Faust, und es
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