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Grenzgänger

Grenzgänger

Titel: Grenzgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Behrmann
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bleiben.
    Der Drache richtete den Lauf gen Rolltor. Davor begann sich eine Erhebung langsam aufzurichten. Kopf, Arme, Rumpf wurden als schwarze Silhouette vor dem Eingang sichtbar. Die Figur eines Mannes zeichnete sich als dunkles Schwarz ab. Seelenruhig stand er da und hatte den Kopf in Fengs Richtung gedreht.
    »Knie dich auf den Boden, Roumond«, rief Feng und richtete seine Waffe auf den Kopf der Gestalt aus.
    »Warum sollte ich das tun?« Im Gegensatz zum Kichern wirkte diese Stimme tief und kultiviert. So klang ein normaler Mensch, kein Irrer.
    »Weil ich dir sonst in den Schädel schieße – soweit ich weiß, brauchen selbst Vampire Jahre, bis sie das wieder geheilt haben.«
    »Das mag sein. Ich habe es bisher vermeiden können, mir Kugeln in den Kopf schießen zu lassen.« Leichter Akzent. Die Dunkelheit kitzelte jedes Detail mit aller Deutlichkeit hervor. Im Deutsch des Fremden schwang der Hauch eines französischen Akzents mit.
    »Dann knie dich hin.«
    Roumond stand noch immer. »Glaubst du etwa, ich wäre eine Gefahr für dich?«
    »Knie dich endlich hin!«
    »Ich stehe recht bequem.«
    Feng schauderte, als er eine winzige Veränderung bemerkte. Irgendetwas hatte sich verschoben, etwas, das zugunsten von Roumond spielte und ihn derart selbstsicher werden ließ.
    »Verdammt, Roumond, ich warne dich zum letzen Mal«, rief Feng hinaus. Tatsächlich schien das Wirkung zu zeigen. Roumonds Silhouette sackte langsam auf den Boden. »Ich wiederhole mich nur sehr ungern«, sagte er dabei. »Aber wenn du der Meinung bist, dass ich es bin, der eine Gefahr für dich darstellt, dann machst du einen gewaltigen Fehler.«
    »Und warum?«
    Feng spürte es, noch während er die Worte aussprach; deshalb zeigte Roumond keine Angst. Sie waren nicht mehr zu zweit. Etwas drittes hatte sich zu ihnen gesellt.
    Feng drehte sich um, als heißer Atem ihn im Nacken traf. »Weil ich es bin«, sagte eine Stimme. Sie klang nach verrottendem Laub.
    Feng riss die Waffe herum und schoss.

    Natasjas Motorrad raste durch die Nacht, so dass meine Hände im Handumdrehen zu Eisblöcken gefroren waren. Zumindest kam es mir so vor.
    Als sie vor einer alten Stadtvilla hielt, fiel ich fast von der Maschine, weil ich meine Beine nicht mehr fühlte. Natasja fasste meinen Arm und stützte mich.
    Wir gingen auf die Villa zu, die mit ihrem efeuüberwucherten Aussehen eher abschreckend als einladend wirkte. »Was wollen wir da?«
    »Ich zeige dir eine Überraschung.«
    Meine Vernunft, die bisher unter einem Wust aus Verwirrung, Überraschung und grenzenloser Neugier begraben gewesen war, machte sich endlich davon frei und wagte einen Einwand. Ich war mit einer wildfremden Frau unterwegs, die aussah wie Jane Fonda und mir nun in einem heruntergekommenem Haus »eine Überraschung« zeigen wollte.
    »Ich kann dir die Kehle zerfetzen«, versuchte ich sie zu beeindrucken, als sie mich unaufhaltsam die Stufen hinaufführte.
    »Freut mich«, erwiderte sie ungerührt.
    »Ich meins ernst!«
    »Entspann dich.«
    Ich verkrampfte mich noch mehr. Auf der letzten Stufe überfuhr mich ein Schauer und ich jappste.
    »Schon vorbei«, grinste Natasja als sie mich zur Tür führte.
    Ich blinzelte und sah die Villa in einem ganz anderen Licht. Sie hatte sich nicht wirklich verändert, aber ich bemerkte, dass der so wild wuchernde Efeu gar nicht wucherte. Er war kunstvoll drapiert worden, so dass er bestimmte Stellen auf der Fassade bedeckte und die Fenster mit den altmodischen Läden aussparte.
    Die Fenster waren erleuchtet und manchmal sah ich Schatten, die zu tanzen schienen. Gelächter und Gesprächsfetzen drangen zu mir herüber, obwohl alle Fenster verschlossen waren.
    »Keine Scheu.« Natasjas Lächeln hatte fast etwas Freundliches an sich, wenn ich mal ignorierte, dass sie ansonsten den Eindruck eines ständig angespannten Raubtieres machte.
    Wir traten ein und ein Mann, der noch größer war als Feng, begrüßte uns mit einem Nicken. »Nabend, Natasja. Schon wieder hier?«
    Sie ließ ihre Jacke über die Schultern gleiten und fing sie geschickt auf, ehe sie zu Boden fallen konnte. Der Türsteher nahm sie ihr ab und machte auch eine einladende Geste in Richtung meines Mantels. Ich streifte ihn ab und reichte ihn ihm, da es im Innern des Hauses sehr warm war.
    Vor mir lag eine große Treppe, aber Natasja fasste wieder bestimmt meinem Arm und zog mich in eine andere Richtung. Hinter einem Vorhang verborgen war eine Tür. Sie drückte sie auf und ließ mich

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