Grenzgänger
gelagert.«
Ich machte ein paar Schritte hinein und sah mich um. »Ich hatte jetzt eher mit einer Art Blutbank gerechnet«, erwiderte ich überrascht. »Wozu das ganze Essen?«
»Denkst du, Bluthuren ernähren sich von Lust und Liebe?«, fragte Natasja. Ich kam aus dem Kühlraum wieder heraus, um zu antworten. »Nein. Und wie steht es mit der Kundschaft? Können die auch etwas davon essen?«
»Vampire können essen und auch trinken, was immer sie wollen. Es beeinträchtigt ihren Kreislauf nicht«, dozierte Elandros. »Der einzige Unterschied zu einem Menschen besteht darin, dass es uns nicht ernährt. Wir können mit vollem Magen verhungern.«
»Ich hatte einen Vampir in meinem Schlafzimmer. Er ist nicht verhungert, obwohl er schon sehr lange dort eingemauert gewesen war.«
Elandros wurde ernst. »Dann hat Feng ihn bei dir gefunden?«
»Woher weißt du davon?« Ich hatte gedacht, niemand außer Samhiel, Feng und Kay wüsste von diesem Zwischenfall.
Elandros schloss die Vorratskammer hinter mir. »Er brachte ihn zu mir. Dafür wollte er ein paar Informationen über einen Vampir namens Roumond.«
Der Name sagte mir überhaupt nichts. »Und was hast du mit dem Vampir gemacht?«
Elandros sah zu Natasja, die den Kopf schüttelte. »Wir mussten ihn töten.«
Ich schluckte hart, doch der Kloß, der plötzlich in meinem Hals zu stecken schien, blieb beharrlich dort, während ich Elandros und Natasja folgte, als sie aus der Küche gingen. Sie schienen ganz offensichtlich nicht weiter auf das Thema eingehen zu wollen.
Wir gingen hinauf und Elandros bot uns einen Platz im Versammlungszimmer an, wie er es nannte. Das Zimmer war in etwa so groß, wie alle Räume meiner gesamte Wohnung zusammen, aber nichts desto trotz gemütlich. Wir saßen auf einer großen Couch. Sie war mit einem roten, sehr weichem Stoff bezogen.
Elandros hatte es sich zu meiner Linken gemütlich gemacht, Natasja saß rechts neben mir. Die Arme hatte sie auf der Rückenlehne ausgebreitet und besah sich die Leute, die noch mit uns im Zimmer waren.
Anscheinend war hier alles ein wenig öffentlicher, denn ich sah mehrere Paare, die, auf großen Kissen oder Sofas liegend, gegenseitig an sich herumbissen und von einander naschten.
Ian, der sich schon vorher im Raum befunden hatte und sich jetzt zu meinen Füssen setzte, lächelte, als er meinen Blick bemerkte. »Willst du noch mal?«
»Du magst das wirklich, oder?« Ich hob skeptisch die Augenbraue, um zu überspielen, dass etwas in mir lauthals »Ja« schrie.
Er zuckte nur mit den Schultern. »Ich wollte dich darauf hinweisen, dass das Angebot noch steht.«
Ich schüttelte den Kopf. Der Gedanke, noch einmal dieses berauschende Gefühl zu erleben, lockte zwar, aber jedes Mal, wenn ich mich ansatzweise dazu durchrang, es wieder zu versuchen, lag wieder dieser Geschmack von Langeweile auf meiner Zunge.
»Anscheinend habe ich der falschen Person ein Geschenk gemacht«, warf Natasja ein und sah Ian schief an. Der kroch näher und richtete sich auf. Seine Hände fuhren schmeichelnd über Natasjas Oberschenkel und stoppten kurz vor ihrer Scham. »Solche Geschenke kannst du gerne öfter bringen, Wölfchen«, sagte er. Er wurde mit einem Lächeln belohnt.
Das Lächeln sorgte auch dafür, dass ich mich entspannte.
»Ich bin dafür, dass du heute Nacht hier bleibst«, sagte Natasja, jetzt wieder in dem ernsten Mienenspiel, in dem ich sie erst noch vor ein paar Stunden kennengelernt hatte.
Ich dachte an meine verschmutzte Wohnung und an das vollkommen durchnässte Wohnzimmer. Ich nickte. Eine Nacht außerhalb des Chaos, das sich auch in meinem Innerem ausbreitete, war eine verheißungsvolle Aussicht. Selbst wenn das bedeutete, dass ich den Rest der Nacht in Gesellschaft so seltsamer Gestalten wie Ian verbringen musste. Alles war besser als sich dem Chaos zu stellen.
Elandros nickte ergeben. »In diesem Fall ist dann wohl alles geklärt.«
Ich stand auf und Natasja tat es mir gleich. Ian war anscheinend der Meinung, dass von uns nicht mehr viel zu holen war, denn er wandte sich einer jungen Frau zu, die bisher mit einem älteren Mann beschäftigt war.
Elandros ging voraus und eine Treppe hinauf, die von unten aus nicht zu sehen war. Sie war schmaler und nicht so beeindruckend wie die Treppe in der Lobby. Sie führte eindeutig zu einem privaten Bereich.
Natasja folgte mir immer noch wie ein Schatten. Ich wusste nicht recht einzuordnen, ob sie sich um mein Wohl sorgte oder ob sie mir einfach nur Angst
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