Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
»Seid Ihr mein Getreuer?«
Ich richtete meinen Blick wieder auf den König. Ich zögerte, schluckte und trat dann auf das Mosaik der Waage, einen Fuß auf jeder Schale. Das Summen schwoll zu einem gewaltigen Akkord an.
Ein Keuchen brandete durch den Saal, und König Jusson riss vor Schreck den Mund auf, als ich in der Mitte der Runen stand, die plötzlich erglühten. »Einmal zur Erinnerung, zweimal zur Bestätigung, dreimal, um es festzuschreiben, Euer Majestät.« Ich hob meine Hand, in der die Rune hell leuchtete, so hell wie die Runen auf dem Boden, so hell wie die Sonne, als wären sie mit ihrem Licht geschrieben worden. »Ich schwöre, alle Eide zu erfüllen, die ich Euch geleistet habe, in all meinen Ämtern. Sic!«
»Hase«, begann Laurel, hielt dann jedoch nachdenklich inne.
Ich stand in meinem eigenen persönlichen Wirbelwind, während Jusson auf den Kreis der Runen starrte. »Nur in den Legenden von Locival hat der Kreis dies je gemacht.« Er riss seinen Blick von dem glühenden Mosaik los und betrachtete mich einen Moment. Dann wandte er langsam den Kopf und sah seinen Hofstaat an. »Also?«, fragte er.
39
Eine nachdrückliche Befragung der Gefangenen hatte ihren Plan ans Licht gebracht. Er sah vor, mich gefangen zu nehmen, damit ich später als Beweis für die Verkommenheit der Grenzlande und auch der Jussons aus dem Hut gezaubert werden konnte. Sollte man mich nicht fassen können, sollte ich zumindest getötet werden, damit ich den Thron und die Armee nicht länger korrumpierte. Und während die normalen Soldaten auf die Geschichte hereingefallen waren, dass die Königliche Armee sich selbst von Verrätern reinigte und dadurch das Königreich beschützte, murmelte der Major den Namen eines Drahtziehers. »Lord Teram.« Esclaur hatte recht gehabt. Meine Position in der Thronfolge hatte jemanden sehr nervös gemacht, und zwar meinen Cousin aus dem Hause Flavan.
Der Wind schwieg, während ich lauschte, die Schmetterlinge auf den Schultern, deren Gewicht mich im Boden zu verwurzeln schien. Ich sah die Soldaten nicht an, die auf dem Boden knieten, die Hände auf den Rücken gebunden. Mein Blick kreuzte den von Groskin. Er blinzelte und senkte den Kopf.
Nachdem die Gefangenen in die Verliese des Palastes geführt worden waren, beugte ich mich über ihre Schwerter und entschied mich für eines, das sich in meiner Hand ausgewogen anfühlte. Ich fand auch Lederriemen, mit denen ich mein Haar zurückbinden konnte, auch wenn es anscheinend nicht mehr weiterwuchs. Der dicke Zopf reichte dennoch bis zu meiner Taille und entpuppte sich als höchst hinderlich. Ich musste die Kapuze meines Kettenhemds unten lassen und konnte auch den Helm nicht aufsetzen, weil er nicht mehr über mein Haar passte. Ich betete inständig, dass niemand nach meinem Hals oder Kopf schlug. Laurel stand neben Kanzlerin Berle und beobachtete meine Vorbereitungen. »Ihr werdet von diesem Ausflug zurückkehren, Ehrenwerter Hase«, brummte er.
Meine Braue zuckte. »Hellsicht oder Wunschdenken, Laurel Faena?«
»Vielleicht ein bisschen von beidem.«
Ich quittierte seine Worte mit einem Schulterzucken, während ich mir den neuen Schwertgurt umband. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Was geschieht, geschieht.«
Laurels Schnurrhaare legten sich an. »Fatalismus steht Euch überhaupt nicht.«
Ich lachte und verließ ihn, um zu meiner Truppe zu gehen.
»Sie bleiben hier«, sagte Suiden zu Groskin, als ich mich ihnen näherte.
»Sir«, erwiderte Groskin. »Lassen Sie mich …«
»Nein. Sie können froh sein, dass Sie nicht bei den anderen im Verlies hocken. Ich hätte Sie ohne mit der Wimper zu zucken dorthin geschickt, aber der König hat mich gebeten zu warten, bis alles geklärt ist.«
Groskin starrte ihn einen Moment an, senkte dann erneut den Kopf und nickte.
Bevor wir aufbrachen, schickte der König eine andere, größere und besser bewaffnete Abteilung zur Königlichen Garnison. »Keine Heldentaten«, schärfte Jusson dem Anführer der Abteilung ein. »Wenn Sie aufgehalten werden und nicht durchkommen, kehren Sie zu Uns zurück.«
Es war ein bunter Haufen von Militärs, der hinter König Jusson ritt. An seiner einen Flanke ritten seine Adligen, einschließlich Lord Esclaur, der erneut einen Kampf gegen die königliche Leibärztin gewonnen hatte; der gezierte, affektierte Lord war verschwunden. Sein Kettenpanzer glich denen seiner Kameraden; auf ihm prangte ein knurrender Wolf, dessen Bild auch das Banner zierte. Auf der
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