Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
hervor. »Was passiert denn jetzt mit dem Scheußlichen?«
Es glühten nicht nur seine Augen, sondern auch sein Kettenhemd, sein Schild und sein Fahnenstab. Slevoic hatte sich zwar in der Botschaft nicht verwandelt, aber das hatte ich auch nicht, ebenso wenig wie die Leibärztin des Königs. Ich wusste, warum ich mich nicht verwandelt hatte, und hatte eine Vermutung, was die Ärztin anging. Wir waren beide Magier von Geburt. Das bedeutete, dass Slevoic …
»Hexer!«, sagte ich.
In dem Moment hörte ich Hufgetrappel vom Platz her. Jemand hatte es sehr eilig. »Hase!« Suidens Stimme hallte von den Mauern wider.
»Hier, Hauptmann!«, rief ich.
»Nein!«
Ich starrte Slevoic an, schmeckte sein plötzliches Entsetzen bitter auf meiner Zunge, während er an mir vorbeistarrte. Mein Hengst tänzelte, zerrte an den Zügeln, als er die intensive Angst des Mannes spürte. Überrascht wendete ich ihn ein Stück, damit ich sehen konnte, was da von der Straße auf mich zukam, während ich gleichzeitig den Scheußlichen im Auge behielt. Aber es war nur mein Hauptmann an der Spitze seiner Soldaten. Ich warf Basel einen kurzen Blick zu. Er hatte sich nicht gerührt, sondern nur den Kopf gehoben. Er sah so verwirrt aus, wie nur ein Geisterhirsch aussehen konnte.
Erneut richtete ich meinen Blick auf den Leutnant. Selbst angesichts der Furcht, die Suiden ihm heute Morgen in der Botschaft eingejagt hatte, war seine Reaktion extrem. Schweiß strömte ihm über sein leichenblasses Gesicht, und seine Hände zitterten. Plötzlich erinnerte ich mich daran, wie es gewesen war, als ich meine volle Macht entwickelt hatte. »Zum Teufel …!«
»Nein! Bleib weg!«, kreischte Slevoic und hob Prudence Eiches Leichenstab, als Suiden neben mir anhielt. Ich sah Prudences Augen: Sie glühten wie zwei schwarze Becken in ihrem verzerrten Gesicht.
Duck dich , wisperte der Wind.
Duckt Euch, Hase!, hörte ich Laurels Stimme in meinem Kopf brüllen.
»Ducken!«, brüllte ich, als ich mich auf den Hals meines Pferdes warf. Der Sattelknauf grub sich in meinen Bauch, nahm mir den Atem, und mir wurde schwarz vor Augen, als ich versuchte, Luft zu holen. Ich schluckte gegen den metallischen Geschmack in meinem Mund an. Ein Brausen erfüllte die Straße, und ich hörte wie aus weiter Ferne Kreischen und das wilde Getrappel durchgehender Pferde.
Was auch immer passierte, es war nicht gut.
40
Ich lag keuchend im Sattel, als ich aus der Seitenstraße auf den Platz geführt wurde. Mein Sehvermögen war immer noch getrübt durch das grelle Licht, und ich hatte immer noch einen starken metallischen Geschmack im Mund. Als wir den Platz erreichten, befahl mir Jusson nach einem Blick in mein Gesicht, in Flavans Haus zu gehen. Ich widersprach nicht, nicht mal, als man mich aufforderte, mich auf eine Couch in einem ummauerten Innenhof zu legen, in dem zahlreiche bunte Vögel zwitscherten. Ich schloss die Augen, und Schmetterlinge setzten sich auf meinen Kopf.
Nach einer Weile konnte ich leichter atmen, und als ich Unruhe hörte, richtete ich mich auf. Die Tür zu dem angrenzenden Raum flog auf, und der König betrat den Innenhof, gefolgt von Lordkommandeur Thadro, seinen Gardisten, Lord Esclaur und den Hauptleuten Suiden und Javes. Reiter Jeffen, der neben der Couch Wache gehalten hatte, und Basel, dessen Geist menschliche Gestalt angenommen hatte, nahmen Haltung an.
»Sie sagen also, Sie wüssten nicht, was passiert ist?«, fragte Jusson. Er hatte sich das Blut vom Gesicht gewaschen. Über die Narbe auf seinem Wangenknochen war bereits Schorf gewachsen.
»Nein, Euer Majestät«, erwiderte Suiden. »Ich war Leutnant Hase gefolgt und fand ihn und Reiter Jeffen, als sie eine kleine Abteilung Rebellen stellten. Doch in dem Moment, als ich ankam, schrie Hase ›Ducken!‹« Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ich habe gelernt, Euer Majestät, dass es im Kampf nicht klug ist, Fragen zu stellen, wenn jemand einen Befehl ruft. Also habe ich mich geduckt.«
Gedämpftes Lachen ertönte, und auch der König gestattete sich ein Lächeln.
»Als ich wieder hochkam«, fuhr Suiden fort, »war ein Teil der Straße versengt, und Slevoic und die anderen waren verschwunden.«
»Verstehe.« Jusson trat zur Couch und sah zu mir herunter. »Und du, Cousin? Geht es dir gut? Du hast jedenfalls wieder Farbe im Gesicht.«
»Jawohl, Sire«, erwiderte ich. »Es geht mir gut.« Ich stand auf, weil ich es nicht ertrug, zu sitzen, während der König stand. Meine
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