Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
verschwunden.
Ich stieß meinen Stuhl und Kanzlerin Berle zur Seite, die sich an meinem Arm festgehalten hatte, und folgte dem Faena aus der Kabine. Am Fuß der Treppe blieb ich stehen, als mir auffiel, wie ruhig es bis auf den Lärm der aufgescheuchten Matrosen geworden war. Das Schiff war vollkommen still, das Wasser reglos, kein Lüftchen regte sich. Ich blickte zu den Masten hinüber und sah, dass die Mannschaft die gerefften Segel herunterholte. Dann blickte ich zu den anderen Schiffen hinüber. Ich konnte sie kaum erkennen. Ich runzelte die Stirn, denn die Nacht war viel zu dunkel. Ich suchte den Mond, sah jedoch nur einen hellen Fleck am Himmel, wo er hätte leuchten sollen. Während ich zusah, wurde der Fleck größer und verschlang die Sterne, während er sich uns näherte, und zwar rasend schnell.
»Hase!«, brüllte Laurel auf dem Achterdeck.
Ich rannte zu dem Faena, der aufs Wasser hinausstarrte. Ich hörte Schritte hinter mir und warf einen Blick über die Schulter. Mir folgte nicht nur Jeff, sondern auch Basel, Hauptmann Javes, Leutnant Groskin, Kanzlerin Berle, Lord Esclaur und – Kaplan Obruesk. »Was ist los?«, erkundigte ich mich, als ich Laurel erreichte. »Was ist das? Ein Sturm?« Als ich das sagte, wurde das Kribbeln stärker. Ich blickte auf meine Hand, erwartete, dass die Rune glühte, aber sie war so dunkel wie der sich verfinsternde Himmel.
»Erinnert Ihr Euch an den Empfang, als Hauptmann Suiden von dem Dschinn sprach?«, fragte Laurel, der seine Ohren immer noch angelegt hatte.
»Ja …« Meine Stimme brach, als mich das blanke Entsetzen beschlich.
»Da ich nicht da war«, warf Kanzlerin Berle ein. »Was hat Seine Hoheit gesagt?«
»Dass der Dschinn den Sturm bringt, Kanzlerin«, erwiderte ich. »Ist es das?«
»Ja«, sagte Laurel. »Jemand hat ihn heraufbeschworen und in unsere Richtung geschickt.«
»Wenn wir direkt zu den Grenzlanden gesegelt wären, wie wir es hätten tun sollen«, meinte Kanzlerin Berle, »dann würden wir jetzt nicht wie die Enten auf dem Teich hocken.«
»Mitnichten, Ehrenwerte Berle«, erwiderte Laurel. »Der Sturm kommt exakt aus der Richtung, in die wir gesegelt wären, hätten wir nicht diesen kleinen Umweg gemacht.« Seine Augen glühten im Dunkeln. Kaplan Obruesk machte beschwörende Gesten gegen das Böse. »Statt zu versuchen, mich zu exorzieren«, meinte der Faena und deutete mit einem Nicken auf die Sturmwolken, an deren Rand jetzt Blitze zuckten, »würde ich vorschlagen, Ihr versucht, das dort mit Euren Gebeten abzuwehren.«
»Würde es denn funktionieren, Botschafter?«, erkundigte sich Esclaur, während in der Ferne der Donner rumpelte.
»Nicht dass ich wüsste«, gab Laurel zurück. »Aber es wäre besser, als hier herumzustehen und sich gegenseitig zu beschuldigen, nicht wahr?«
»Eine unselige Mission«, konterte Obruesk, »die von Zauberern …«
Ein Flackern erregte meine Aufmerksamkeit, und ich drehte mich um, in der Erwartung, Basel zu sehen. Sofort sträubten sich mir die Nackenhaare, und ich fühlte Laurels Pelz hinter mir. »Die Ehrenwerte Esche!«, flüsterte ich.
Obruesk unterbrach sich mitten in seinem Schwadronieren und wirbelte herum. Die anderen folgten seinem Beispiel einen Herzschlag später. Laurels Tatze landete auf meiner Schulter, als er mich zu sich zog. Der Geist der Ehrenwerten Esche blieb stehen, und ich konnte die Eschenblätter in ihrem Haar erkennen.
»Wer ist das?«, fragte Berle eingeschüchtert.
»Dämonen«, antwortete Obruesk rau, aber flüsternd.
»Das ist kein Dämon, Kirchenmann«, klärte Laurel ihn auf. »Sie ist eine ermordete Baumelfe, eine Faena. Diejenige, aus der ein Amtsstab der Kirche gemacht wurde.«
Es blitzte, und erneut donnerte es in der Ferne.
»Wie hat sie die Schutzzauber überwinden können?«, erkundigte ich mich.
»Vermutlich wurden sie durch den Sturm geschwächt«, sagte Laurel, dessen Worte von einem Blitz akzentuiert wurden.
»Wir werden sterben, stimmt’s?« Jeffs Stimme war in dem Donner kaum zu vernehmen.
Ich warf einen Blick über die Schulter auf den Dschinn-Sturm und wollte ihm zustimmen. »Nicht, wenn ich es verhindern kann«, hörte ich mich sagen.
»Oh nein«, pflichtete mir Javes bei. »Und ganz gewiss nicht hier, wie gefangene Ratten.« Er trat vor und betrachtete den Geist durch sein Lorgnon. »Gibt es eine Möglichkeit, um … sie herumzukommen?«, wollte er wissen.
Es blitzte erneut, und das Donnern des Sturms kam näher. Die Ehrenwerte Esche Faena
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