Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
beobachtete das Spiel des Mondlichts auf den Wellen.
»Hase.«
Annahmen und Wissen. Ich nahm an, dass Laurel nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte, und ich wusste, dass ich gelogen hatte. »Ich sollte als Schüler bei einem Magier anfangen. Entschied, dass es nichts für mich war.«
»Warum nicht?«
»Es war eine Entscheidung. Meine Entscheidung.« Die Rebellion gegen einen alten Mann mit kalten Augen, der mich betrachtete wie einen Gaul, den er kaufen wollte. Oder wie eine Mahlzeit, die er verschlingen wollte. Ich sah in die Zukunft und sah nur Schatten. »Außerdem wollte ich etwas von der Welt sehen.«
»Sehr weit seid Ihr nicht gekommen.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bin noch jung.«
Während wir uns unterhielten, hörte ich die Stimmen der Mannschaft und der Soldaten, als sie miteinander sprachen, scherzten und sich gegenseitig etwas zuriefen. Dann hörte ich in diesem Lärm meinen Namen und drehte mich herum. Leutnant Groskin kam auf mich zu.
»Er bewegt sich sogar wie mein Vater«, meinte Laurel.
Ich beobachtete Groskins geschmeidigen Gang und glaubte an Deck den Schatten eines Schwanzes zu sehen.
»Was seht Ihr, Lord Hase?«
»Nichts«, log ich.
»Treten Sie von der Reling weg«, sagte Groskin, als er uns erreichte. Er wartete nicht darauf, dass ich gehorchte, sondern packte meinen Arm und zerrte mich weg.
»Verzeiht uns, Ehrenwerter Leutnant«, sagte Laurel und verbeugte sich knapp, während er ebenfalls von der Reling wegtrat. »Wir haben nicht nachgedacht.«
»Allerdings, das habt Ihr nicht.« Groskin starrte uns an, und ich ertappte mich dabei, wie ich meinen Kopf wie ein schuldbewusster Schuljunge hängen ließ. »Hauptmann Suiden will Euch sehen, beide.« Er wartete, bis wir uns in Bewegung setzten, und begleitete uns. Vermutlich bekam ich jetzt doch meine Lektion verpasst. Unwillkürlich zog ich die Schultern hoch.
Kommandeur Ystan, Gouverneurin Somne und Doyen Orso besuchten uns am nächsten Morgen. Ich hatte die Nacht in der Kabine von Leutnant Groskin verbracht, weil Hauptmann Suiden beschlossen hatte, dass er mich ständig unter der Aufsicht des Leutnants wissen wollte. Das bedeutete, Slevoic musste in Hauptmann Javes’ Kabine umziehen, und Laurel hatte die Wahl, entweder zu Hauptmann Suiden zu ziehen oder auf dem Boden unserer Kabine zu schlafen. Er entschied sich für den Boden und knurrte am Morgen etwas Unverständliches über die Gereiztheit von Drachen. Ich schlief gut, bis auf die kleine Einschränkung, dass ich auf dem Bauch schlafen musste und dass meine beiden Kojenkameraden offenbar etwas gegen frische Luft hatten, denn sie weigerten sich, das Bullauge zu öffnen. Groskin schlug mir auf die Hände, als ich es öffnen wollte.
»Nachtluft ist schlecht für die Atemwege«, behauptete Groskin. »Außerdem habe ich den Auftrag, Sie zu beschützen, Hase.«
Diesmal knurrte ich etwas über den begrenzten Luftvorrat in einer Kabine, die ich auch noch mit zwei großen Dummköpfen teilen musste. Laurel lachte darüber, und Groskin ignorierte mich.
Jetzt stand ich neben Leutnant Groskin an Deck, als Hauptmann Javes und Hauptmann Suiden die Verabschiedung unserer Gäste vornahmen. Ich ignorierte die leisen Pfiffe und die Süße-Bäckchen-Rufe der Matrosen, als ich sah, wie Ystan Suiden eine versiegelte Börse reichte.
»Für den Lordkommandeur«, sagte er. Hauptmann Suiden salutierte und versprach, den Beutel persönlich zu übergeben.
»Ich habe einen Brief an meinen guten Freund, Erzdoyen Obruesk geschickt«, sagte Doyen Orso zu Leutnant Groskin, »der deine Ankunft in Iversly avisiert. Ich hoffe, dass du Zeit hast, dich mit ihm zu treffen.«
»Ja, Onkel«, antwortete Groskin.
Nach einer letzten Verbeugung, einem Gruß und einer Umarmung, die Groskin gerade so überlebte, waren wir unsere Gäste los, und der Kapitän gab den Befehl, Segel zu setzen.
»Nächste Station, die Königliche Stadt«, verkündete Laurel.
20
Die Hitze lastete wie Blei auf uns, als wir jedes Fleckchen Schatten nutzten, das wir finden konnten, und schlaff herumlagen; jeder Atemzug erzeugte einen Schweißausbruch. Von heißem Schweiß. Er rann wie in Bächen an unseren Körpern herab und machte uns schlapp und benommen. In dunklen Ecken fanden wir sogar Pilze, und Ryson schimmelte schon wieder. Er wusch seine Kleidung und seine Schlafrolle, aber nichts davon trocknete, also musste er sie immer und immer wieder waschen – was unterm Strich betrachtet ganz gut war. An unserem letzten
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