Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
wieder eintreffen. Er ist unterwegs, um Ihre Garderobe zu ergänzen, Leutnant, damit Sie einigermaßen präsentabel sind, wenn Sie in die Stadt gehen.«
Jeff kicherte leise, als er verschwand, aber ich reagierte nicht darauf. Ich starrte den Hauptmann entsetzt an und sah mich bereits mit einem gigantischen Lorgnon herumlaufen, dessen Gewicht mich zu Boden zog.
»Keine Sorge, Hase.« Suiden hatte die Augen noch geschlossen. »Javes kennt Ihren Geschmack.« Er öffnete ein Auge einen Spalt. »Allerdings hätte ich gedacht, dass sein kühner Kleidungsstil Ihnen gefällt.«
Es gibt eine sehr feine Grenze zwischen Kühnheit und Lächerlichkeit, dachte ich.
Suiden schloss das Auge wieder. »Verstehe.«
34
In der Einladung von meinen Angehörigen der Flavan-Seite stand »Abendgesellschaft«, also wurde beschlossen, dass meine Ausgehuniform akzeptabel wäre. Javes kehrte von seinem Einkaufsbummel mit neuen gelben Handschuhen, gelbseidenen Taschentüchern, Habbs-Stiefeln und einem leichten Cape zurück. Es war dunkelblau, hatte blaue Seidensäume und wurde mit schwarzen geflochtenen Verschlüssen über der Brust geschlossen. Von einem Lorgnon war nichts zu sehen. Außerdem hatte der Hauptmann einen Barbier im Schlepptau, da mein vernachlässigtes Haar bereits über den Kragen fiel. Rasiert, gestriegelt und vollkommen angekleidet überprüfte ich jetzt meine Erscheinung in dem mannshohen Spiegel. Ich drehte mich um meine Achse, sah befriedigt, wie das Cape sich blähte, und inspizierte meine Rückseite. Als ich stehen blieb, nutzte der Barbier diesen Vorteil sofort aus und bürstete mir hastig Haare und eingebildete Fusseln von den Schultern.
»Wie meine Schwestern«, bemerkte Jeff, der mich beobachtet hatte.
Ich ignorierte ihn, drehte mich um.
»Und wie mein Cousin. Er ist auch ein eitler Gockel, und seine Frau ficht harte Kämpfe mit ihm um den Spiegel aus.«
»Neid«, erwiderte ich, »ist eine hässliche Sache.«
Lord Esclaur holte mich in seinem offenen Einspänner ab, und wir fuhren mit Jeff als Eskorte zum Haus meines Cousins. Das Licht des Vollmonds warf scharfe Schatten, und als wir auf den Platz einbogen, sah ich voller Staunen, dass der Sitz der Flavans eine gesamte Breite einnahm. Ich fragte Lord Esclaur, wie groß Flavans Stammsitz eigentlich war.
»Oh, sehr groß. Wirklich sehr groß. Der Hauptsitz umfasst nicht nur Plantagen, sondern auch drei größere Städte.« Der Adlige verfiel in einen belehrenden Tonfall. »Zurzeit jedoch konzentriert sich der Wohlstand Ihres Onkels mehr auf die Hauptstadt. Flavan besitzt mehrere kommerzielle Unternehmen und ist stiller Teilhaber bei vielen Kaufleuten.«
Wir reihten uns in den Konvoi der Kutschen ein, die im Schneckentempo zu der Stelle vorrückten, an der die Gäste ausstiegen. Vor uns sah ich große Fackeln am Haupteingang des Hauses und runzelte die Stirn. Selbst im provinziellen Freston verfügten wir über Öllampen mit Dochten, deshalb war es etwas ungewöhnlich, in dem kosmopolitischen Iversly Fackeln zu sehen.
»Nein, Fackeln sind keineswegs allgemein gebräuchlich«, sagte Lord Esclaur, als ich ihn fragte. Auch er runzelte die Stirn.
Als wir den Haupteingang des Flavan-Hauses erreichten, stand ich auf und wartete darauf, dass der Lakai den Kutschschlag öffnete, ließ mich jedoch wieder auf den Sitz zurücksinken, als ich seine Livree sah. Ich hatte schon bemerkt, dass diese Uniform ein bisschen merkwürdig aussah, es jedoch dem Flackern der Fackeln zugeschrieben. Aber es war gar keine Livree: Der Lakai trug das Kostüm eines Riesen aus einem beliebten Kindermärchen, mit einem Lendenschurz aus Fell und einer mit Nägeln gespickten Keule. Und er war barfuß. Er zuckte zusammen, als er an die Kutsche trat – offenbar war er auf etwas Spitzes getreten -, riss den Schlag auf und schwang die Keule. »Wer wagt es, das Haus meines Herrn zu betreten?«
Sogar der Satz stammte aus dem Märchen. »Ich …«
»Mylord, wir halten die Schlange auf!«, sagte Lord Esclaur, während er aufstand. »Wir werden dem bösen Zauberer in seiner Höhle mutig entgegentreten.«
Den Teufel würde ich tun. Ich ließ mich in die Polster zurücksinken. »Ich bin nicht …«
Lord Esclaur trat mir gegen den Knöchel, und ich jaulte. »Meiner Seel, schon wieder ein Krampf in den Beinen, Lord Hase? Sobald Sie ausgestiegen sind, können Sie sie strecken.« Er schnappte sich meinen Arm und zog mich hoch. Esclaur war erheblich kräftiger, als es den Anschein hatte. »Sie sind
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