Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
der Cousin des Königs«, zischte er mir ins Ohr. »Benehmen Sie sich auch so.«
Das Haus war tatsächlich so geschmückt, als wäre es die Höhle des Zauberers, mit falschen Ratten, Raben und Spinnen, die in riesigen Netzen von der Decke baumelten. Esclaur und ich reihten uns in die Schlange der Gäste ein, die darauf warteten, begrüßt zu werden. Weiter vorn erkannte ich den galanten Locival, mit dem Breitschwert Löwenherz an seiner Hüfte. An Locivals Seite stand die schöne Prinzessin Beatel – wenngleich auch etwas dicker als im Märchen -, die er vor den üblen Ränken und ruchlosen Plänen des Zauberers Slifter gerettet hatte. Ihre langen goldenen Zöpfe waren mit Bändern geschmückt und reichten fast bis zum Boden. An einer Goldkette um ihre Stirn hing die Perle der Keuschheit. Hinter dem Paar hing ein Gobelin, der einen Sonnenaufgang zeigte, einen neuen Morgen repräsentierte, denn durch ihren Kuss, mit dem sie wahre Liebe gelobten, brachen sie den bösen Bann, der das Königreich Heusterand in ewiger Nacht gehalten hatte.
»Ho, Cousin! Esclaur!« Locival schob sein Visier hoch, unter dem Lord Teram zum Vorschein kam. »Ist das nicht großartig?« Er hielt mir willkommen heißend die Hand hin.
Ich spürte, dass Esclaur einen Schritt zurücktrat, also streckte ich die Hand aus und packte die von Teram. »Heil dir und guten Abend, Teram. Ja, das ist schon was. Allerdings bin ich ein bisschen überrascht. Ich wusste nicht, dass es ein Maskenball sein sollte.«
»Meine Gemahlin ist auf die Idee gekommen, nachdem wir dir die Einladung geschickt haben«, erklärte Teram.
Ich sah Lady Isalde an, mit ihrer blonden Perücke, aber sie sagte nichts.
»Und ich meinte: ›Warum denn nicht?‹«, fuhr Teram fort. »Das wird sicher ein Spaß!« Er winkte einem Lakaien, der als Buckliger verkleidet war und einen Korb mit schwarzen, seidenen Dominomasken in den Armen trug. »Such dir eine aus!« Er wartete, bis sowohl Esclaur als auch ich eine Maske aufgesetzt hatten, und schlug mir dann auf den Rücken. »Hereinspaziert, Mylords, aber hütet Euch vor den Fallen des Zauberers!«
Wir verbeugten uns und traten an ihm vorbei ins Haus. Das Innere war ebenso düster dekoriert wie der Eingang, und Lakaien, die wie die Büttel des Zauberers gewandet waren, mischten sich unter die kostümierten Gäste. An einer Wand waren Tische mit Speisen aufgebaut und mit falschen – hoffte ich jedenfalls! – Menschen- und Tierschädeln geschmückt, die dicke Kerzen hielten. Mir verging schlagartig jedes Hungergefühl.
»Er lässt nur seine Muskeln spielen, Hase«, erklärte Esclaur, der meine verwirrte Miene bemerkt hatte. »Jusson ist imstande, an einem Tag einen großen Empfang zu Ehren eines Botschafters zu organisieren, den die meisten mit sehr gemischten Gefühlen betrachten. Teram will nur zeigen, dass er das auch kann.«
Großartig, noch eine Fraktion. Dann fiel mir wieder ein, dass Teram und Gherat während des Empfangs miteinander getuschelt hatten. »Aber Jusson ist der König«, erklärte ich. »Natürlich kommen alle, wenn er ruft. Wenn nicht, stecken entweder sie in Schwierigkeiten oder das Königreich.«
Lord Esclaur zuckte mit den Schultern. »Das stimmt, Mylord.« Ein Diener, der verlängerte Reißzähne hatte, kam zu uns. Esclaur nahm zwei Gläser von dem Tablett, das mit Kröten und Spinnen dekoriert war, und reichte mir eines. »Aber Flavan kann auf vierzig direkte Verbindungen bis zum ersten König Iver zurückblicken. Kein anderes Haus außer dem des Königs selbst kann sich dessen rühmen. Chause kommt ihm recht nahe mit seinen zweiunddreißig Verbindungen, und sein Sohn ebenfalls, weil seine Ehefrau sechsunddreißig Verbindungen aufzuweisen hat. Trotzdem, sollte Jussons Haus in naher Zukunft scheitern, dann dürfte Flavan im Rennen um den Thron vorn liegen. Bereits jetzt scheint Teram zu glauben, er stehe dem Königshaus so nahe, dass es keinen Unterschied mehr macht.« Er trank einen Schluck, verzog das Gesicht und schaute sich nach einem Platz um, wo er sein Glas absetzen konnte. »Er muss in der Wärme schlecht geworden sein«, meinte er, während sich seine Miene weiter verfinsterte.
Ich schnüffelte an meinem Wein, und nach einem kurzen Blick auf die als Schädel getarnten Kerzenhalter auf dem Büfett beschloss ich, mein Glas ebenfalls abzustellen. »Cousin oder nicht, sobald ich schwarze Kerzen sehe, gehe ich.«
Esclaur und ich waren die Einzigen, die nicht als Charaktere aus dem Kinderstück
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