Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
Gebete, Euer Eminenz«, sagte er. »Aber segnen Sie uns, wenn Sie so freundlich wären. Etwas Kurzes, wenn’s beliebt, aber Wirkungsvolles.«
Dyfrig umklammerte immer noch den Amtsstab und holte einmal tief Luft. Seine Miene war besorgt. »Euer Majestät …«
»Gibt es ein Problem, Euer Eminenz?«, erkundigte sich Jusson.
Dyfrig sah in die ihm zugewandten Gesichter und stieß seufzend den Atem aus. »Nein, Euer Majestät«, sagte er dann. »Es gibt kein Problem.« Dann senkte er den Kopf und zitierte etwas aus dem Buch der Gebete. Als er fertig war, herrschte Schweigen. Die Leute sahen eher verdutzt aus als gesegnet.
Jusson klopfte mit der Hand auf das Geländer, um unsere Aufmerksamkeit zu erlangen. Dann ließ er seinen Blick über alle Anwesenden gleiten, musterte den einen oder anderen genauer, und ich fragte mich, ob auch er an die Lücken dachte, die nach dem heutigen Tag in den Reihen klaffen würden. Wir erwiderten seinen Blick ernst.
»Ich nehme an«, begann der König, »wenn das hier eine Heldensage wäre, würde ich eine Rede halten, in der ich betonen würde, dass wir auf der Seite des Guten gegen die Mächte des Bösen kämpfen. Aber warum über das Offensichtliche reden? Also gehe ich gleich zu unserem Angriffsplan über. Er ist sehr einfach: Haltet die Augen auf, und bleibt in meiner Nähe. Wir versuchen zunächst, die Stallungen und unsere Pferde zu erreichen. Sollte das nicht funktionieren, marschieren wir zu Fuß zur Garnison. Können wir auch das nicht, sammeln wir uns am Königstor.«
Niemand sagte etwas, und Jusson verzog den Mund. »Also los, gehen wir. Für Gott und Königreich. Möge Er unseren Seelen gnädig sein.«
Jusson trat von der Treppe herunter und marschierte zur Tür. Cais glitt durch die schweigende Menge zu ihm, legte die Hand auf den Türknauf und wartete auf das Zeichen des Königs. Der nickte seinem Haushofmeister zu. Cais hob den Balken von der Tür, öffnete das Schloss und schob die Riegel zurück. Nach einem Moment schwang die Tür auf, und die Sonne schien in die Eingangshalle. Der König bildete nur eine dunkle Silhouette gegen das blendende Licht. Statt jedoch seine Königstreuen vorauszusenden, trat Jusson als Erster hinaus. Die Eingangshalle war der Traum eines jeden Verteidigers, aber für einen Angreifer war sie ein Alptraum. Es hätte nur einiger weniger mit Armbrüsten bewaffneter Feinde bedurft, um uns einen nach dem andern auszulöschen, angefangen mit dem König. Mit erstickten Rufen drängten alle gleichzeitig hinaus, und es dauerte einige schreckliche Momente, bis ich die Schwelle erreichte. Dann war ich draußen und trat hastig von der Schwelle weg, um im nächsten Moment stehen zu bleiben. Ich achtete nicht darauf, dass ich den Männern hinter mir den Weg versperrte. Die Straße war voll. Ich sah Albe den Schmied, Kresyl den Bäcker, Danel den Postillion, den Wirt vom Hirschsprung, seinen Sohn und einige seiner Serviermädchen. Es waren Leute darunter, die vor zwei Tagen während des unterbrochenen Schauspiels auf dem Theaterplatz gewesen waren, die rebelliert hatten, als ich noch am selben Tag aus dem Gefängnis entlassen worden war, die uns wütend angegriffen hatten, als wir gestern Nachmittag vom Kupferschwein zurückgekehrt waren, die gestern Abend zum Feuer am Totenhaus gerannt waren, die den Kampf gegen den Auferweckten miterlebt und an den Scheiterhaufen heute früh um die Kirchenschreiber Keeve und Tyle getrauert hatten.
Sie alle verbeugten sich vor dem König.
»Wir haben alle gehört, was uns widerfahren ist, Euer Majestät«, erklärte Albe, als er sich wieder aufrichtete.
»Aye«, stimmte Kresyl zu. »Hauptmann Suiden und Lord Elf haben in meinem Ofen geredet, als ich gerade buk. Ich hätte vor Schreck fast meine Brotlaibe fallen lassen.«
»In meinen Kerzen sprachen sie auch, als ich stickte«, sagte eine Frau.
»Und im Kamin in meinem Schankraum«, erklärte der Wirt des Hirschsprungs.
Auf der ganzen Straße riefen Leute, dass sie Wylns Gespräch mit Suiden mitgehört hätten, in Kochfeuern, Kohleöfen und in einem Fall sogar in der Tabakpfeife eines Mannes.
Albe deutete auf die beiden Lehrlinge, die hinter ihm standen. »Wir haben es in unserer Esse gehört.« Der Schmied lächelte und ließ seine Zähne in dem dunklen Bart blitzen, als er den Schmiedehammer hob. »Wir dachten, wir könnten zu Hause bleiben und hoffen, dass der Spuk verschwindet, oder rausgehen und selbst dafür sorgen.«
Wyln und ich sahen uns an. Die
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